Schröder!

Meine Freundin hatte mich verlassen, und wie es aussah, das wenige Glück, das ich ab und zu im Leben hatte, ebenfalls. Ich kann nur vermuten, dass dabei irgendwie ein spirituelles Zimmer frei wurde, das prompt von Pech gemietet wurde. Allerdings ohne Miete.
Ich meine, wieviel Pech braucht es, damit die letzte Rolle Toilettenpapier ins Klo fällt, während man gerade darauf sitzt und gerade erst… Ihr wisst schon. Solche und ähnliche Unannehmlichkeiten begleiteten mich also seit unserer Trennung, und ich hätte ahnen müssen, wie die finale Eskalationsstufe meines jetzt glücklosen Lebens aussehen würde.
Pech hatte es sich zwischenzeitlich offenbar gemütlich gemacht in seinem neuen Heim, also meinem Leben. Es sass mit einer Tüte Erdnussflips (MEINE Erdnussflips!) auf der Couch, die Füsse auf dem Tisch und grinste mich erwartungsvoll an, als ich beschloss, zumindest wieder einige der Bilder wieder aufzuhängen, die ich vor einigen Tagen von der Wand gerissen hatte. Beim Staubsaugen.
Ernsthaft – wie wahrscheinlich ist eine verklemmte Kabelaufrolltaste, kombiniert mit einer viel zu straff eingestellten Feder, die genau im falschen Moment auf die Idee kommt, den Stecker samt Steckdose aus der Wand zu reissen und sämtliche Bilder von der gegenüberliegenden Wand zu holen? Eben.
Pech fand das offensichtlich sehr witzig und warf bei seinem Lachanfall die Rotweinflasche vom Wohnzimmertisch. Ich habe KEINE Ahnung, wie mein Nachbar den roten Fleck auf dem weissen Teppich mit dem Verschwinden seiner Katze in Verbindung gebracht hat. Die Polizisten, die mich in meiner Wohnung verhörten, zum Glück auch nicht, nahmen jedoch die Cannabiskrümel zur Kenntnis, die genau an der Stelle eine Party feierten, die ich wegen der herausgerissenen Steckdose und der daraus resultierenden Reparatur nicht mehr gesaugt hatte.
Zumindest förderte die Hausdurchsuchung den lange verloren geglaubten Fahrzeugschein meines ehemaligen Autos zutage, das ich vor einem Jahr verkauft hatte. Was mir allerdings nicht wirklich half, da der neue Besitzer mit ebendiesem Auto Drogen transportiert hatte und NATÜRLICH erwischt wurde. Über das nachfolgende Verhör möchte ich ehrlich gesagt nicht reden, da es einige sehr peinliche Momente beinhaltet, in denen ein Gummihandschuh eine nicht unwesentliche Rolle spielt, aber lassen wir das.

Nun, wie gesagt. Pech war bei mir eingezogen, zahlte keine Miete und frass meine Erdnussflips. Um mich von diesen und weiteren, nicht erwähnten Umständen abzulenken, beschloss ich, die schon erwähnten Bilder aufzuhängen, die die unvorteilhaften Vorkommnisse der letzten Zeit wie durch ein Wunder überlebt hatten. Vermutlich ist das der Tatsache zu verdanken, dass Pech desöfteren durch meine Flips abgelenkt war, was paradoxerweise wiederum Glück zu sein schien. Was sich, wie ich schnell bemerken würde, in der Tat nur als Schein erweisen sollte.
Ich nehme an, mein (hoffentlich) geneigtes Publikum wird selber schon den ein oder anderen Nagel in eine Wand geschlagen haben. Der ein oder andere wird vermutlich auch ein Aquarium besitzen. Soweit ist das alles eher unverfänglich. Gibt man jedoch Pech dazu, das genau in diesem Moment meine Flipstüte leergefuttert hatte… Aber der Reihe nach.
Ich wohnte in einem modernisierten Altbau. Sehr gemütlich, eigentlich, Altbauten haben genau die Atmosphäre, die mir gut gefällt. Wie ich erfahren musste, gibt es bei Altbaumodernisierungen offenbar immer wieder Situationen, in der der Handwerker etwas improvisieren muss und zum Beispiel ein Kabel nicht gerade über die Wand, sondern in einem recht seltsamen Bogen verlegen muss. Welche Umstände dazu führen könnten, ist mir ein Rätsel, allerdings bin ich auch kein Elektriker und traue Profis durchaus zu, professionell zu arbeiten.
Genau diesen Kabelbogen traf ich mit dem ersten Nagel, den ich in der Wand versenken wollte. Wie gefährlich 220 Volt sind, kann ich nicht beurteilen, in meinem Fall war es nicht wirklich schlimm. Zumindest nicht im ersten Moment, da ich den Nagel schnell wieder losgelassen habe. Leider rutschte mein Fuss durch die plötzliche Gewichtsverlagerung von dem Leitertritt, auf dem ich stand, und landete in meinem Aquarium, das auf einem niedrigen Tisch seinen Platz gefunden hatte. Auch das wäre nicht weiter schlimm gewesen, ich hatte den Nagel losgelassen und war nicht mehr mit dem Stromkreis verbunden. Wasser und Strom sollen nicht so gut miteinander harmonieren, wenn man z. B. einen Menschen dazwischen schaltet. Dummerweise war der letzte überlebende Fisch einer unvorteilhaften Begebenheit, an der Chlorbleiche beteiligt war, der Meinung, sich auf dem Teppich in Sicherheit vor meinem Fuss bringen zu müssen. Nur, um unter meinem anderen Fuss zu landen, der sich aus gleichgewichtstechnischen Gründen auf dem Weg zum Boden befand.
Seid Ihr schonmal auf einer Bananenschale ausgerutscht? Nun, ein Fisch unter dem Fuss hat einen ähnlichen Effekt, nur das Geräusch und der Geruch sind anders. Glaubt mir, ich hätte eine Bananenschale bevorzugt, aber das nur am Rande. Ich kann nur vermuten, dass Pech mein Pech kommen sah, und von der Couch flüchtete, wobei es 1. die Weinflasche auf dem Tisch in meine Landezone beförderte, welche 2. zusätzlich noch den Korkenzieher als Begleitung mitnahm. Was ich irgendwie nachvollziehen kann, die Beiden passen wirklich sehr gut zusammen, um einen gemütlichen Abend abzurunden.

Weinflaschen haben eine besondere Form, die ihnen eine höhere Stabilität verleiht, nämlich eine Mulde im Boden. Eine Begründung für diese besondere, stabilisierende Mulde ist, dass Weinflaschen früher aufrecht stehend in Kästen in Kutschen transportiert wurden. Da die Strassen noch nicht so glatt und rasertauglich waren wie heute, holperten die Flaschen in ihren Kisten, und um Bruch zu vermeiden – nunja, die Delle im Boden. Ich habe noch nie Weinflaschen in einer Kutsche transportiert, ich rase auch nicht auf den Strassen, und ich habe keine Ahnung, ob die Delle wirklich Weinflaschenbruch verhindert hat.
Nicht verhindert hat diese Delle, dass mein Gewicht die Flasche zerbrochen, und die Scherben tief in meinen Rücken getrieben hat. Der Korkenheber hätte nicht wirklich noch sein müssen, aber Pech wollte vermutlich auf Nummer sicher gehen. Vielleicht mochte es auch keinen Wein, ich weiss es nicht.
Erinnert Ihr Euch, dass ich vorhin meinen Nachbarn erwähnt habe? Den mit der Katze? Gut. Denn genau dieser Nachbar schaute von seinem Balkon aus in mein Fenster. Natürlich würde er bemerken, dass sich der Teppich unter mir rot färbte und den Notarzt verständigen. Richtig? Nein, natürlich nicht! Er hatte seine Erfahrung mit Rotweinflecken auf meinem Teppich gemacht, drehte mir den Rücken zu, und las seine Zeitung.
Nun ist es schwierig bis unmöglich, mit zwei punktierten Lungenflügeln um Hilfe zu schreien. Der Splitter in meiner Wirbelsäule verhinderte zudem, dass ich mich selber zum Telefon schleppen konnte, um einen Rettungswagen zu rufen. Es ist übrigens ein recht angenehmes Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt und die Umgebung langsam verschwimmt, bis nur noch ein kleiner, heller Punkt zu sehen ist…

*

„Nun, Herr Schröder, zunächst einmal herzlich Willkommen im Nachleben. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich zu orientieren.“, sagte eine Stimme vor mir, während ich in eine recht bequeme und nicht zu weiche Sitzgelegenheit sank.
„Äh… Was?“, fragte ich, etwas unbeholfen.
„Wie gesagt, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, und kommen Sie erstmal richtig zu sich.“
Den Moment, den ich mir nahm, um zu mir zu kommen, verbrachte ich regungs- und ahnungslos in völliger Dunkelheit.
„Ich… Ich kann nichts sehen..?“, sagte ich.
„Ja, ich weiss. Das wird sich aber gleich ändern, wenn Sie Ihre Augen wieder aufmachen.“
„Oh…“, stammelte ich, und öffnete etwas peinlich berührt meine Augen.
Vor mir sass ein Mann in einem sehr teuer aussehenden Anzug, mit einem schwarzen Schnäuzer und einen Spitzbart, hinter einem rustikal wirkenden Schreibtisch. Zudem hatte er eine tiefrote Haut und zwei Hörner.
„Wer, äh… Wo..?“, liess meine Verwirrung vernehmen.
„Oh, Verzeihung, ich bitte vielmals um Entschuldigung, wo sind nur meine Manieren. Ich bin Satan, und derzeit befinden Sie sich in meinem Büro in der Hölle.“
Ich schluckte. Etwas, irgendetwas wollte ich dazu sagen, meine Verwirrung kam mir jedoch zuvor und zuckte lediglich mit den Schultern. Zumindest brachte ich zuletzt doch noch ein, zugegeben, ziemlich dämlich klingendes „Hää..?“ hervor.
„Natürlich haben Sie jetzt jede Menge Fragen an mich.“, fuhr Satan fort. Tatsächlich fiel mir in dieser Sekunde nur eine einzige Frage ein: „Warum..?“
„Herr Schröder, bevor ich Ihnen die Situation erkläre, habe ich eine Bitte an Sie.“
„Äh… Ja..?“
„Beenden Sie Ihre Sätze bitte nicht mit drei Punkten oder zwei Punkten und einem Satzzeichen. Das ist sehr unhöflich. Wären Sie so nett?“
„… Natürlich.“
„Und bitte – fangen Sie Ihre Sätze auch nicht mit drei Punkten an. Das ist noch unhöflicher.“
„Natürlich. Verzeihung.“
„Sehen Sie. Ausserdem verwirrt Sie dererlei Interpunktion nur noch mehr.“
„Ich verstehe.“
„Gut.“
Ich wollte gerade „Also..?“ sagen, besann mich jedoch eines Besseren, da ich es hier mit dem Höllenfürsten persönlich und damit einem Adligen zu tun hatte. Nicht, dass ich viel vom Adel hielt, in meiner Situation hielt ich es jedoch für angebracht, Satan nicht zu verärgern.
Stattdessen sagte ich ohne übertriebene Interpunktion, wenn auch etwas stockend: „Warum also bin ich hier?“
„Nun, die kurze Version lautet: Weil Sie, soweit mein Büro informiert ist, ein guter Mensch waren. Für die lange Version“ fuhr er fort und drückte auf einen der vielen Knöpfe seines Telefons, „sowie sämtliche Fragen, die dabei auftauchen, wenden Sie sich einfach an Herrn Gollum.“
Bevor ich etwas sagen konnte, zuckte meine wachsende Verwirrung wieder hilflos mit den Schultern und schnitt mir damit das Wort ab.
Die Tür zu Satans Büro öffnete sich, und herein kam – nun, Gollum.
„HERR Gollum, bitteschön!“
„Verzeihung. Äh… DER Gollum aus..?“
„Nein! NICHT der Gollum aus Herr der Ringe, sondern HERR Gollum!“, sagte Herr Gollum.
„Äh, bitte nochmals um Verzeihung, aber die Ähnlichkeit ist durchaus…“
„Ja ja!“, unterbrach mich Herr Gollum. „Entschuldigung angenommen, und ich verstehe die Assoziation. Verstehen Sie auch, dass es einfach NERVIG ist, ständig mit einer degenerierten Kreatur verglichen zu werden? Zumal ich die Verantwortlichen für diese Figur noch nichtmal verklagen kann, weil unsere Rechtsabteilung da keine Chance auf Erfolg sieht!“
„Oh, das ist natürlich verständlich, Herr Gollum“, antwortete ich. „Ich wollte Sie nicht beleidigen, und bitte nochmals um…“
„Ach, schon gut.“
„Herr Gollum,“, unterbrach Satan, „können Sie das mit Herrn Schröder bitte in Ihrem eigenen Büro klären, ich muss noch etliche Verträge aufsetzen.“
„Natürlich, Direktor Satan. Kommen Sie, Herr Schröder.“
Meine Verwirrung hatte inzwischen aufgegeben und das Feld geräumt. Ihr Nachfolger war eine gewisse fatalistische Gelassenheit mit der Angewohnheit, zur Kommunikation fast ausschliesslich die rechte Augenbraue zu heben. Wenn das nicht ausreichte, gab sie mit langsam schliessenden Augen und leichtem Kopfschütteln alles zu verstehen, was ich wissen musste.
So folgte ich Gollum, Pardon – HERRN Gollum aus Satans Büro hinaus auf den Flur.
„Ausserdem müssen Sie nicht dauern HERR Gollum schreiben. Herr Gollum reicht völlig aus.“
Meine fatalistische Gelassenheit hob verständnislos ihre Augenbraue und hatte zweiundvierzig Fragen…
Herr Gollum führte mich in einen Flur, der eher wie eine nie endende Höhle anmutete. Wobei eine Höhle, zumindest meines Wissens nach, keine Türen an den Wänden hatte. Ich las einige der Schilder, die an diesen Türen befestigt waren.

  • Dreizacklager.
  • Schleifstube.
  • Sekretäriat Dir. Satan.
  • Seelenbewertung
  • Aufzug
  • IT Sicherheit

„IT Sicherheit?“, fragte ich Herrn Gollum.
„Natürlich. Sie GLAUBEN nicht, wieviele Mitbewerber TAGTÄGLICH versuchen, unser Netzwerk zu HACKEN.“
„Äh… Mitbewerber..?“
„Herr Schröder. Ich BIN sicher, Direktor Satan hat Ihnen bereits EINIGES über Interpunktion gesagt?“
„Ja. Natürlich. Verzeihung.“
„Und BITTE hören Sie auf, ständig um Verzeihung zu BITTEN, wir sind hier NICHT im Himmel!“
„Ja. Verzei… Äh.. Natürlich.“
Ich hoffte inständig, dass meine fatalistische Gelassenheit zumindest so kooperativ war, dass ich es mir nicht schon in den ersten Minuten mit allen wichtigen… Leuten? Angestellten? Dämonen..?“
„Dämonen wird reichen.“, sagte Herr Gollum.
Die Tür hinter fatalistische Gelassenheit öffnete sich, und Verwirrung steckte kurz ihren Kopf hindurch, einen extrem verwirrten Blick hinterlassend.
„Herr Gollum, eine Frage…“
„Gleich, Herr Schröder, gleich. Wir SIND gleich in meinem Büro und ich werde ALLE Ihre Fragen beantworten. Zumindest, soweit es angemessen IST.“

  • Sündenrecycling.

Fatalistische Gelassenheit fing an, sich Fragen zu notieren, die ich stellen wollte.

Warum bin ich hier?
Warum kommen gute Menschen in die Hölle?
Wieso kann man hier meine Gedanken lesen?
Wieso kann man hier die INTERPUNKTION von dem sehen, was ich sage?
Weshalb kommentiert man hier Ereignisse, als würden sie irgendwo geschrieben stehen?

„DIESE Frage will ich Ihnen ausnahmsweise HIER auf dem Flur beantworten. WEIL sie irgendwo geschrieben STEHEN.“
Nachdem Verwirrung abermals den Kopf durch die Tür hinter fatalistischer Gelassenheit gesteckt hatte, und einen SEHR langen und SEHR verwirrten Blick hinterlassen hatte, stand fatalistische Gelassenheit auf und schloss die Tür ab. Sie mochte Verwirrung anscheinend nicht sonderlich. Nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, notierte sie eine weitere Frage:

Warum kann ich Konzepte und Gefühle wie Pech, Verwirrung oder fatalistische Gelassenheit sehen?
Wie ist es möglich, dass sie sich wie Wesen benehmen?
Und wo stehen diese Ereignisse geschrieben?

  • Public Relations und Support.
    „Nein! NICHT fragen!“, kam mir Herr Gollum zuvor.
  • Warenausgang

Ich bemerkte, dass in der Höhlenflurdecke Lautsprecher eingelassen waren. Und zwar in dem Moment, als eine laute Stimme plärrte:
„ACHTUNG! ACHTUNG! SÄMTLICHES SICHERHEITSPERSONAL BEGIBT SICH SOFORT IN DIE IHNEN ZUGEWIESENEN BEREITSCHAFTSRÄUME UND LEGT AUSRÜSTUNG NACH PROTOKOL FRA LEVEL 3 AN! ACHTUNG! SÄMTLICHES SICHERHEITSPERSONAL!“
Fatalistische Gelassenheit sah nicht mehr ganz so gelassen aus, als sie die Hände von ihren Ohren nahm und die Augenbraue hob.
Herr Gollum sagte etwas zu mir, das ich nicht verstehen konnte.
„ICH VERSTEHE SIE NICHT!“, brüllte ich zurück.
Herr Gollum sagte wieder etwas und deutete auf seine Ohren.
„ICH KANN SIE NICHT…“
Herr Gollum packte meine Handgelenke und zog meine Hände von meinen Ohren.
„Herr Schröder, wir sind da, BITTE kommen Sie in mein Büro und SCHLIESSEN Sie die Tür! SCHNELL! Hier wird es gleich ZIEMLICH hektisch!“
Halb folgte ich ihm, halb zog er mich hinter sich her, und wir betraten sein Büro.
Ich drehte mich um und schloss die Tür. Als ich die Augen langsam wieder öffnete, lag ich auf dem Boden, und auf meiner Brust hockte eine dreiköpfige Kreatur, die mich – ja, wie genau anblickte..?
„ZERBERUS! ECKE!“, brüllte Herr Gollum.
Mit einem winselnden Pfeifen zog sich die Kreatur in eine Ecke zurück und legte sich auf eine grosse Decke.
„Verzeihung, Herr Schröder, Zerberus‘ Käfig WIRD im Moment restauriert, es wird noch ETWAS dauern, bis alle Körperteile aus den Gitterstäben entfernt sind. Solange IST er in meiner Obhut, und, nunja – er ist SEHR verspielt.“
„Verspielt?“, keuchte ich, nach Atem ringend.

In einem passenden Moment nach „Körperteilen in Gitterstäben“ fragen.

„Also, Herr Schröder. SIE haben Fragen.“
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es eigentlich garnicht wissen wollte.
„Die MÜSSEN leider warten.“, sagte Herr Gollum, und öffnete einen Schrank, aus dem mehr Gerümpel purzelte, als hätte hineinpassen dürfen.
„Ups.“
Herr Gollum watete durch alte Telefone, Kopfhörer, Locher, Kochtöpfe, Bratpfannen, zerlumpte Kleidung und weitere, nicht identifizierbare Gegenstände.
„Hm, wie kommt DAS denn hier rein? Moment, ich HATTE doch… Ah. Und das Gegenstück MÜSSTE… Hier. Jetzt noch… Na? Oh. DAS hab ich LETZTENS noch gesucht… Da! Nein, doch nicht. Hey, WIESO ist das kaputt? Naja. Oha, DAS muss ich Robert noch zurückgeben. Ach, SCHAU an. Zerberus, LECKERCHEN!“
Herr Gollum warf Zerberus „etwas“ zu, das dieser mit einem seiner drei Köpfe schnappte, während ein anderer Kopf anscheinend zu langsam war und mit dem ersten Kopf kollidierte. Die beiden Köpfe sahen sich verärgert an, während der dritte Kopf breit grinste.
„Hm. Vielleicht HIER..? Nein. Ah, DOCH! Gut.“
Herr Gollum warf einige Gegenstände scheppernd auf einen freien Platz auf seinem Schreibtisch und began, die restlichen „Dinge“ mit seinen Füssen zurück in den Schrank zu befördern.
„Ich MÜSSTE mal sortieren, wenn ich die Zeit HÄTTE!“

Just in diesem Moment waren hinter der Tür von fatalistische Gelassenheit laute Geräusche zu vernehmen, die einen Moment andauerten, und mit einem lauten „Pumpf“ endeten. Es klopfte an der Tür, fatalistische Gelassenheit stand auf, und öffnete.
Neugier stand in der Tür, trat ein und schleppte die ohnmächtige Verwirrung, die jetzt ein blaues Auge und mehrere Beulen hatte, am Kragen gepackt hinter sich her. Neugier blickte sich um, grinste aufgeregt und fragte: „Hat schon angefangen? Ui!“
Neugier liess Verwirrung fallen, schnappte sich einen Klappstuhl und setzte sich neben fatalistische Gelassenheit, welche dies lediglich mit einer erhobenen Augenbraue kommentierte.
„Wenn Du schön leise bist, darfst Du hier bleiben.“, sagte Neugier zu Verwirrung, die langsam wieder zu sich kam und ihren Kopf betastete.
„Das wird spannend!“, schob sie noch hinterher, knuffte fatalistische Gelassenheit mit dem Ellenbogen und öffnete – eine Tüte Erdnussflips!
Fatalistische Gelassenheit schloss langsam die Augen, und schüttelte den Kopf.
Verwirrung sass auf dem Boden und sah nicht glücklich aus. Eher – nun, verwirrt.
In der Zwischenzeit hatte sich Herr Gollum mit diversen Gegenständen behangen. Eine grosse Bratpfanne hing vor seiner Brust, die Schultern zierten zwei Untertassen aus Blech, die Arme steckten in – waren das verbeulte Edelstahlthermoskannen ohne Boden?!?, um die Beine waren zwei Fussabtreter aus Gummi gewickelt, und auf dem Kopf…
„Ein Nudelsieb?“, fragte ich.
„Spaghettisieb, um GENAU zu sein.“, antwortete Herr Gollum. „Ich MUSS los.“
„Äh. Wohin..?“
Verwirrung, Neugier und fatalistische Gelassenheit fassten sich synchron an die Stirn, und liessen ein dreistimmiges „Ouuh“ vernehmen.
„IN-TER-PUNK-TION!“, fuhr mich Herr Gollum an. „Und HABEN Sie den Alarm nicht gehört? ICH gehöre zum Sicherheitspersonal! Aus dem WEEEEG!“
Herr Gollum liess sich auf alle Viere fallen und stürmte an mir vorbei durch die Tür. Ohne sie zu öffnen. Das entstandene Loch entsprach ziemlich genau seinen Umrissen im vollen Galopp.
Hinter mir hob Zerberus zwei seiner Köpfe, schaute mich an und begann zu sabbern.
Neugier nahm sich raschelnd eine neue Tüte Erdnussflips…

*


Ich halte mich nicht für einen ängstlichen Menschen. Ich mag Hunde. Hunde mögen mich. Ich halte es zudem für angemessen, jedes Familienmitglied zu begrüssen, wenn ich irgendwo zu Besuch bin. Auch die Vierbeinigen. Also, nein: Ich habe keine Angst vor Hunden.
Zerberus hingegen… Nun, grundsätzlich war er von der Art her eindeutig ein Hund. Mit drei Köpfen. Und gelben Augen. Einem struppigen Fell mit verdächtig rötlichen Schmutzflecken. Und dem Gewicht eines mittelgrossen Lieferwagens.
Beeindruckend ist nicht unbedingt der Ausdruck, den ich der Beschreibung Zerberus verwenden würde. Angesichts der jüngsten Ereignissen und Reaktionen auf meine Gedanken, und dem Umstand, dass IRGENDWO in meiner Existenz etwas wie Pech, Verwirrung etc. von ihren Logenplätzen ebenjenen Ereignissen zuschauten, wollte ich es allerdings nicht riskieren, gedanklich irgendwelche Begriffe zu verwenden, die möglicherweise als beleidigend aufgefasst werden konnten.
„´s kein Problem Du. Willst´n Bier?“, fragte eine Stimme, während sich Etwas hinter mir mit dumpfen Schritten Richtung Kühlschrank bewegte, den ich erst jetzt wahrnahm.
„Äh…“
„Hab auch kein Problem mit Deiner Interpunktion, Du.“
Ich drehte mich um und sah Zerberus, der mich erwartungsvoll anschaute. Mit drei Köpfen und sechs gelben Augen.
„Willst´n Bier oder nich?“, fragte er erneut.
Es war einer der seltenen Momente, in denen fatalistische Gelassenheit weder mit Augenbraue, noch mit Augen und Kopf kommunizierte, sondern schlicht den Daumen hob.
„Äh… Ich schätze, ja..?“
Zerberus öffnete mit einer seiner sechs Tatzen (deren Anzahl mir erst jetzt auffiel) den Kühlschrank, holte ein Sixpack Bier heraus und warf mir eine Dose zu.
„Auf´s Leben, wa?“, sagte er, eine Dose öffnend.
Ich schaute etwas unsicher auf die Dose, die ich in der Hand hielt.
„Höllenbräu?“
„Haste was anderes erwartet, Man?“
Ich zuckte mit den Schultern, öffnete die Dose und trank einen zögerlichen Schluck.
„Un? Sachste dazu?“, fragte Zerberus.
„Also… Verdammt gut, ehrlich.“
„Heh, verdammt is gut, Du.“
Zerberus öffnete zwei weitere Dosen mit einem lauten Zischen, und trank nun drei Dosen gleichzeitig leer. In meinem derzeitigen Zustand beneidete ich ihn ein wenig um diese Fähigkeit.
„Sachma, wie bist´n hergekommen?“
Ich erzählte ihm von Staubsaugern, klemmenden Tasten und Rückholfedern, von Bildern, Nägeln, Stromleitungen und Aquarien, einer Weinflasche und einem flüchten Fisch.
„Ah. War also Alkohol im Spiel, wa?“
„Nein! Ich hab nicht getrunken…“
„War Alkohol im Spiel.“
Zerberus rülpste laut. Aus zwei Mäulern. Das dritte Maul drehte sich samt Kopf zu den beiden anderen Köpfen und hob eine Augenbraue. „Pottsäue!“
Der mittlere Kopf drehte sich zu dem dritten Kopf um und rülpste ihm ins Gesicht.
„Hört die Zankerei auf!“, liess der erste Kopf vernehmen.
Mir wurde bewusst, dass ich mich bisher mit dem mittleren Kopf unterhalten hatte.
„Ja. Bevor Du fragst, Schröder – wir sind zwar eine Person, aber nicht immer einer Meinung.“, sagte der erste Kopf.
Ich legte diese Information unter dem Stichwort „Dinge, die ich gegen meinen Willen erfahren habe“ ab.

Verwirrung blinzelte, schaute verwirrt zu Neugier, diese schaute zurück und sagte: „Ich hätte auch Lust auf ein Bier.“
Auch fatalistische Gelassenheit drehte den Kopf und hob erwartungsvoll eine Augenbraue. Verwirrung seufzte, stand auf, öffnete die Tür und verschwand.
Neugier blinzelte fatalistischer Gelassenheit zu und steckte sich ein paar Erdnussflips in den Mund.
„Daff ift beffer alf Tampf der Teufel, ne?“
Fatalistische Gelassenheit wischte sich einige feuchte Flipskrümel aus dem Gesicht, schloss langsam die Augen und schüttelte den Kopf.

Zerberus öffnete eine weitere Dose Bier, und der mittlere Kopf nahm einen Schluck.
Der dritte Kopf – nun, schüttelte seinen Kopf (kann man das so sagen..?) und murmelte „Gierhals.“
Der mittlere Kopf pustete einige Schaumflocken von seiner Lippe in das Gesicht von Kopf Nummer drei.
Dieser schüttelte sich, spitzte die Lippen und bliess einen kleinen Feuerball in die Richtung des mittleren Kopfes, welcher sich jedoch im letzten Moment wegduckte, so dass Kopf Nummer eins am Ohr getroffen wurde.
Mittlerer und dritter Kopf erstarrten, während Kopf Nummer eins langsam seinen… Nein… Sich langsam zu den beiden umdrehte und seine Augen zu schmalen Schlitzen wurden.
„Uh oh…“, sagten mittlerer und dritter Kopf gleichzeitig, während ihre Augen gross wurden.
Mit einer so schnellen Bewegung, dass ich einen Überschallknall hörte, öffnete Nummer eins sein Maul (und zwar wesentlich weiter, als es hätte möglich sein dürfen) und biss mit einem… Geräusch die beiden anderen Köpfe ab.
Neugier und fatalistische Gelassenheit bekamen grosse Augen, während Verwirrung die beiden Sixpacks fallen liess und mit beiden Händen seinen offenen Mund bedeckte.
„Aaaaaaaalter…“, liess Neugier vernehmen, und vergass sogar die Erdnussflips.
Ich schluckte.

Die folgenden fünf Sekunden kann ich nur wie folgt beschreiben.
Verwirrung bückte sich, ohne Zerberus aus den Augen zu lassen, und tastete nach den beiden Sixpacks.
Neugier blinzelte mehrmals mit offenem Mund, während eine Mischung aus heller Begeisterung und einer defekten Neonröhre in seinen Augen flackerte.
Fatalistische Gelassenheit trommelte mit den Fingern auf der Klappstuhlarmlehne und hob eine Augenbraue.
Zerberus‘ Augen schienen aus seinem nun einzigen Kopf zu quellen, als er mehrfach schluckte und dabei seinen Hals in einer… Unmöglichen Art und Weise bewegte, um die beiden Köpfe irgendwie in seinen Bauch zu befördern.
Ich selber beobachtete mich dabei, wie ich langsam – SEHR langsam! – einen Schritt rückwärts ging, meine Bierdose abstellte und vorsichtig in Richtung Tür schielte.
Zeit und Raum verwandelten sich in Etwas, dass an einen alten, modrigen Raum erinnerte, in dem Jahrhunderte lang Generationen von Spinnen ihre Netze gesponnen hatten, ohne jemals auch nur das Wort Staubwedel gehört zu haben. Jene Umgebung also, die nicht wirklich physischen Widerstand bietet, jedwedes Fortbewegen jedoch in einen Akt des vorsichtigen Tastens und hektischen Umherschauens ausarten liess, während jeder Schritt auf dem glitschigen Boden wohlbedacht gesetzt sein wollte.
Die Spannung stieg.
Ein Bleistift rollte unbeachtet von Herrn Gollums Schreibtisch.
In der Ferne waren Kampfgeräusche zu hören.
Die Stille schob ihre rechte Mantelseite hinter den Pistolenhalfter.
Der Klang einer einsamen Mundharmonika wehte herüber, und der grosse, hagere Tischler griff nach seinem Massband.
Die Zeit stand regungslos in der Dunkelheit und Zerberus öffnete sein Maul…

Der Ausdruck „ein Bäuerchen machen“ wird oft verwendet, um das Wort „Rülpsen“ zu vermeiden. Das, was Zerberus von sich gab, bewegte sich hingegen in der Grössenordnung zum absoluten Herrscher global flächendeckender, vollautomatisierter Intensivlandwirtschaft aufsteigen.
Der Abdruck in der Wand, aus dem ich mich nicht ohne Anstrengung herausschälte, würde einiges an Reparaturspachtel brauchen.
„‚tschuldigung.“, sagte Zerberus. „Ab und zu brauchen die Beiden ´ne Pause.“
„Ab und zu..?“, fragte ich. „Du… Machst das öfter..?“
„Yo. Paar Stunden, und die sind wieder da.“
„Okee…“, sagte ich unsicher.
„Ja man, die sind so unnötig wie zwei zusätzliche Köpfe voller Neurosen.“
Ich nickte unsicher und fragte mich SEHR leise und unauffällig, wieviele Plattitüden noch ihrer Wege ziehen würden.
„Sachma, was Anderes.“, fuhr Zerberus im Plauderton fort, „Hamse Dich schon gebrieft?“
„Ge..was?“
„Gebrieft. Vertickert, was abgeht. ´ne interdimensionale Einweisung in die grundlegende Funktion der Hölle gegeben.“
„Äh… Ausser der Sache mit der Interpunktion…“
„Echt jetzt?“
„Da kam wohl die Sache mit dem Alarm für das Sicherheitspersonal dazwischen…“
„Ah, richtig. Schätze mal, ´s Christentum schickt mal wieder seine veralteten Drohnen rüber.“
„Drohnen…?“
„Ja. Die komischen Dinger, die damals die Viehhirten bei Euch erschreckt haben. Fürchtet Euch nich und so.“
Neugier nahm sich eine Dose Bier und riss eine neue Tüte Erdnussflips auf. „JETZT wird´s spannend!“, sagte sie.
„Haste mal in diesem komischen Buch gelesen, wie die Dinger aussehen? Weisste, das über den Typ mit dem Licht, der überm Wasser schwebt und so.“
„Die Bibel?“
„Ah ja, genau. Bibel. Richtig. Engel und so. Werden immer so als tuntige Typen mit Nachthemd und Flügeln dargestellt.“
„Also… Nein, nicht wirklich.“
„Na, stell Dir so´n blinkendes Flugdings vor mit massig Kameras und so ´ner Art Radarantennen, die sich drehen. Ziemlich laut, die Teile. Und ´ne verzerrte Stimme wie, ähm…“
„Eine Bahnhofsdurchsage?“
„Eine was?“
„Ah, schon gut, ich glaube, ich weiss, was Du meinst… Und das steht so in der Bibel?“
„Ja, Ezekiel 1.16 oder so, diese Dinger mit vier Köpfen. Vier! Alter. Das muss nervig sein, ich tick ja schon mit drei Köpfen regelmässig aus.“
Zerberus spuckte ein Büschel Haare aus.
„Blärgh!“
Verwirrung wurde blass und trank einen Schluck Dosenbier.
„Najut, wennze willst, kann ich Dir ´ne Zusammenfassung geben. Oder haste Fragen?“
„Äh, ja.“, sagte ich. Mir wurde langsam die kafkaeske Absurdität der letzten… Stunden? Tage? bewusst.
„Ich weiss nur nicht genau, wo ich anfangen soll…“
„Gib ma den Zettel mit den Fragen.“
„Zettel..?“
Zerberus griff irgendwo hin, ein irgendwo, das ich nicht sehen konnte. Fatalistische Gelassenheit reichte ihm den Zettel, und er begann zu lesen.
„Ah. Gute Fragen, echt. Also. Du bist hier, weil Du ein guter Mensch warst.“
„Aber kommen gute Menschen nicht in den Himmel..?“
Zerberus seufzte.
„Weisste, dieses Konzept von Himmel und Hölle, Paradies und Fegefeuer und all der Kappes, is nix als´n dreister Marketingtrick.“
„Marketingtrick..?“
„Ja man. Guckma, nimm ma ´s Christentum. Schwafeln von göttlicher Weisheit, die Schöpfung is perfekt blablabla. Aber gleichzeitig Kreuzzüge gegen Ungläubige, ein böser Teufel, Schwule gehen garnicht und sollen gesteinigt werden. Weisste. Was denn jetzt? Is die Schöpfung perfekt oder muss da rumgemurkst werden? Dann sollste nich ohne Knebelvertrag rumpoppen, die Hände über der Bettdecke lassen und so, also alles, was irnzwie Spass macht, darfste nich, sonst haste Kirmes am Popo.
Dann die Story mit Adam und Eva. Esst nicht diesen Apfel, hat er gesagt. Weisste, wasser er da gemacht hat? ´ne Falle hat er denen gestellt. Angeblich. Fürchtet Euch nicht, sacht er, und was macht er? Fackelt Städte ab, überschwemmt ´ne Zivilisation und verhindert ´ne grossartige architektonische Leistung. Dieser Turm da, weisste?“
„Babylon?“
„Der. Genau. Von Vergebung labert der, killt aber jeden, der ihn beleidigt. Und der Typ is´n absoluter Choleriker! Weisste, da sollste so´n kurzes Leben lang gefällig sein, bloss nich aufmucken, dass Du ins Paradies kommst, sonst sollste ewig inner Hölle schmoren. Was´n das für´n Psycho?
Und dann nimmste ma das Prinzip vom Paradies. Kannste Dir was öööööderes vorstellen, als den ganzen Tag neben ´nem Thron zu hocken, auffer Harfe zu klimpern und zu frohlocken? Und ständig nur Blasmusik? Und wennze Dich da schon wieder nich an Regeln hälst und Fragen stellst, droht der Typ mit dem Höllenfeuer. Und verspricht dann ewige Glückseligkeit, während Du ständig irgendwelchen Fallen aus´m Wech gehst, die er stellt. Sollst dies nich, sollst das nich. Pff. Ganz mieses Marketing, Du. Ganz ganz mieses Marketing. Und dann noch die Konkurenz schlechtreden, weisste? Von wegen Knebelverträge und Seele verlieren, so´n Quatsch. Really, der Typ schickt seine Drückerkolonnen in die Welt, die versprechen alles Mögliche und drohen gleichzeitig mit ewiger Qual – is das kein Knebelvertrag? Ohne so´n aggressives Marketing würd sich kein Schwein für diesen Mist interessieren!“
Zerberus‘ Augen brannten in einem lodernden, grellen Gelb, er schien sich in Rage zu reden, also versuchte ich, das Thema in eine andere Richtung zu lenken.
„Äh, ok, das… Ist jetzt erstmal ziemlich viel. Wie verhält es sich denn dann mit der Hölle?“
„Ah, genau, wollte ich eh gleich zu kommen. ´tschuldigung, wenn ich da verbal eskaliere, aber ich krich ´ne Krempe bei dem Thema.“
„Schon gut. Also, die Hölle..?“
„Jaaa… Läuft hier völlig anders als allgemein angenommen. Ich mein, klar, wir ham auch Regeln und paar Leute hier ham etwas merkwürdige Vorstellungen vom Umgang miteinander, die Anti-Höllen-Propaganda geht halt auch nich ganz spurlos an uns vorbei, also sind hier paar Leute ´n bisschen dünnhäutig geworden, Dir wird aber trotzdem keiner den Kopf abbeisen.“
Fatalistische Gelassenheit hob eine Augenbraue.
„Ich meine, ah… Niemand hier wird den Kopf von jemand anderem abbeisen.“, grinste Zerberus. „Wir ham wie gesagt auch Regeln, aber nix von wegen ewige Verdammnis und so´n Zeuch. Wennze hier was kaputt machst, machst es eben wieder ganz. Oder schuldest halt jemand ´nen Gefallen, wennze das selber nich kannst, geben und nehmen und so.“
„Ok, und äh… Was ist mit denen, die jemanden ermorden oder sonstwie Gewalt antun? Kriegsverbrecher, Vergewaltiger…“
„Ah, ja, richtig. Auch so´n Thema. Hier gibt´s sowas wie Bestrafung aus Rache nich, das bringt nix. Hamwer am Anfang auch gemacht, gab nur noch mehr Ärger. Solche Leute werden bei uns isoliert, vom Rest, ham aber soweit alles, wasse brauchen. Soll´n ja auch leben können, hat ja alles irnzwo ´ne Ursache, ne? Die sorgen halt dafür, dass der Laden weiterläuft, also tun was für die Gemeinschaft und so. Is quasi das Prinzip machste was kaputt, machstes auch wieder heil, nur weitergedacht. Kannste natürlich nich ungeschehen machen, wennze einen umgebracht hast, aber kannste zumindest was dafür tun, dass es nich schlimmer wird und Andere nich auch noch für deine Unterbringung blechen müssen. Und wir gucken halt, was da bei den Leuten schiefgelaufen is. Ok, paar von denen kannste nich mehr rauslassen, is nich schön, aber was willste machen…“
Zerberus schien mir nicht alles zu sagen, und ich fragte nach. „Da gibt es einen Raum mit der Aufschrift Sündenrecycling…“
„Hm, ja, okeee… Den haste gesehen, wa? Tja. Paar Leute sind leider nich mehr hinzukriegen…“
„Ja..?“
Zerberus räusperte sich und nahm einen grossen Schluck aus seiner Bierdose.
„Kennste Dich mit´m Thema Seele und Bewusstein aus?“
„Öhm…“
„Also pass auf. Du hast ´nen Körper. Arme, Beine und so. Kopf, logo. Da läuft alles zusammen. Is quasi die Schnittstelle für Dich Selbst. Also Dein Bewusstsein, weisste? Dann haste ´ne Seele, bist aber auch nich Du Selbst, sonst wär´s nich Deine Seele. Wennze jetzt alles zusammenzählst, Körper, Seele, Bewusstsein, dann haste sozusagen Dich Selbst, also die Summe vons Janze. Bewusstsein und Seele kannste Dir auch als ´ne Art Körper vorstellen, die halt aus nix anderem als immer kleineren Bausteinen bestehen. Und irnzwann kompostieren die auch, genau wie der Körper mit Armen und Beinen, verstehste?“
„Annähernd…“ Ich war mir sicher, dass ich das alles nicht wirklich wissen wollte.
„Gut gut, jetzt stellste Dir vor, wie der irdische Körper kompostiert, Pflanzenfutter und so. Da wer’n dann quasi Pflanzenkörper draus. Die kochste dann, oder auch nich, wird also aus´m kompostierten Mensch über´n Umweg auch wieder ´n Mensch. Klar soweit?“
„So in etwa…“
„Gleiche isses mit´m Seelenkörper. Ok, läuft schon was anders, aber ähnlich. Wie´n Glas Wasser, was Du aus´m Ozean nimmst. Kannste wieder auskippen und neu vollmachen, wirste aber nie die gleichen Tropfen im Glas haben. Stellste Dir den Seelenkörper einfach als Glas voll Wasser vor. Naja, und manchmal is das Wasser im Glas so faul, dass da nix mehr zu machen is. Also kippste das Glas weg. Zurück innen Ozean. Geht ja nich verloren, is ja noch da, nur verdünnt und kann recycelt werden. So ähnlich kannste Dir das mit´m Sündenrecycling auch vorstellen.“
„Äh… Ok… Und, äh, inwieweit ist das anders als eine Hinrichtung..?“
„Ah, nee, das is nichmal Äpfel mit Birnen vergleichen, ´ne Hinrichtung is nix weiter als Rache. Also nix anderes als quasi Mord unterm Deckmantel der Moral. Weil´s ja ethisch untermauert is, kann ja jeder sooo gut verstehen, dass so´n Mörder sterben muss, auch so´n Mist, den so Religionen verbockt ham.“
„Ok, ok, ich sehe den Unterschied, äh…“
„Siehste, und sowas machen wir hier nich. Hier kannste machen, was Du willst, solang Du Andere respektierst.“
„Das klingt überhaupt nicht nach der Hölle, die ich kenne.“
„Nee, ne? Hier wird keiner verstossen, nich wie im Himmel.“

Neugier beugte sich zu fatalistischer Gelassenheit und flüsterte: „Alter. DAS ist mal ´n Reveal, was?“, und steckte sich eine handvoll Erdnussflips in den Mund, die sie mit einem grossen Schluck Bier runterspülte.
Fatalistische Gelassenheit begann, nervös mit den Fingern auf der Armlehne zu trommeln und schielte zu der letzten Bierdose (Neugier war inzwischen mehr als angeheitert).
„Willste haben?“, fragte Neugier und reichte die Dose rüber.
Fatalistische Gelassenheit schaute auf die Dose, hob eine Augenbraue, nahm schliesslich das Bier, und zuletzt einen grossen Schluck davon.
„Die Story lässt nedmal Dich kalt, wie?“, fragte Neugier, und prostete fatalistischer nicht-mehr-ganz-so-Gelassenheit zu. „Hau wech! Ich wette, da geht gleich richtig was ab!“

Zerberus schaute wieder auf den Fragenzettel, und ich selber fragte mich zum wiederholten Male, wo zum Teufel dieser Zettel hergekommen war.
„Zum WAS?“ In der offenen Tür stand Satan und blickte mich… Nun, SEHR finster an.
Aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie sich die Farbe aus meinem Gesicht hinter den Schreibtisch schlich, wo Satan sie nicht sehen konnte. Meine Knie begannen zu zittern, woraufhin meine Beine sich weigerten, meinem Drang, ebenfalls hinter dem Schreibtisch zu verschwinden, Folge zu leisten.
„Ich… Äh… Also…“
„Haha, Scherz. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Schröder, aber dieser Witz wird niemals alt.“
Meine Gesichtsfarbe schaute vorsichtig hinter dem Schreibtisch hervor. Die Tür war zu, Satan stand nicht mehr dort, und Zerberus grinste breit.
„Macht der jedesmal.“
Neugier schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel. „Ha, DER war gut!“
„Ok, Schröder…“, sagte Zerberus. „Für die nächsten Fragen muss ich bisschen weiter ausholen…“

*


Manche glauben, die Erde sei eine Scheibe. Einige glauben zudem, dass diese Scheibe von vier Elefanten getragen wird, die auf einer Schildkröte stehen, welche durch das Weltall schwebt, auf irgendein Ziel zu. Die meisten Menschen jedoch hielten das für hanebüchenen Unsinn.
Rincewind glaubte ebenfalls nicht an die flache Erde, Elefanten und eine Schildkröte. Er WUSSTE, dass es so war. Schliesslich lebte er auf dieser Scheibenwelt. Auch die Zauberer an der unsichtbaren Universität (deren entspanntes Katzenschnurren von den Bewohnern der Stadt Ankh Morpork als völlig normales „Das ist nunmal so“ wahrgenommen wurde) waren sich zumindest in diesem Punkt einig: Scheibenwelt, Elefanten, Schildkröte. Sogar die Reihenfolge war niemals Thema eines der ständigen Dispute zwischen den Zauberern.
Unklarheit herrschte jedoch über die Natur der Existenz. Im Allgemeinen endeten Streitgespräche über dieses Thema, nach einigen blutigen Nasen und angezauberten, zusätzlichen Extremitäten (oder, in manchen Fällen, auch in der Abwesenheit vormals vorhandener Körperteile) in einem für alle Seiten annehmbaren „Es funktioniert, also lassen wir lieber die Finger davon. Oder auch nicht.“ Der letzte Satz war indes ausschliesslich von Mitgliedern des I.H.S. zu vernehmen, was jedoch zu weit führen würde, um es weiter auszuführen.

Ich sass mit Rincewind im Garten der unsichtbaren Universität unter einem grossen, magischen Apfelbaum, der ab und zu vor sich hinmurmelte, dass ihm die Wurzeln einschlafen würden, auf denen wir sassen, schwieg jedoch ansonsten. Die Äpfel, die er trug, waren gross, rot, sahen sehr reif aus, schienen jedoch aus einem sehr harten und schweren Material zu bestehen. Ich hatte keine Ahnung, woher ich das wusste.
„Sag mal, Rincewind…“
„Ja, Schröder?“
„WARUM BIN ICH PLÖTZLICH HIER?!?“
„Nun, ich vermute, weil dies einer der Orte ist, der Zerberus‘ Ausholen mit einschliesst.“
„Aber warum HIER?“
„Vielleicht, weil es gerade auf dem Weg lag?“
„Das ist…“
„Unsinn, ich weiss. Es widerspricht sämtlicher Logik, dass Du ohne Zwischensequenz oder Überblendeffekt plötzlich hier bist. Ich denke, das liegt daran, dass der Autor noch etwas unerfahren ist.“
„Der… Autor..?“
„Hm. Entschuldige, Schröder, ich greife mir vor. Der Reihe nach. Was weisst Du über die Natur des All-Existierenden?“
„Öhm…“
„Gut. Das ist schonmal überdurchschnittliches Allgemeinwissen. Darauf können wir aufbauen.“
„Was..?“
„Es gibt da die Theorie des UNIversums, das sich ständig ausdehnt und nie endet, und mit einem lauten Knall begann. Was wissenschaftlich gesehen zwar durchaus möglich, aber dennoch völliger Quatsch ist.“
„Warte…“
„Dann gibt es die Theorie des MULTIversums. Also viele, viele, unendlich viele Paralleluniversen, die nebeneinander existieren. Mit Dir als, nun, Frau zum Beispiel. Oder als Hund, oder als Baum. Was der Realität schon näher kommt, aber immer noch komplett daneben liegt.“
„Ich, äh…“
„Fakt ist, die Natur der Existenz ist eine Badewanne.“
„Eine Bade…?“
„Wanne. Richtig. Oben ist der Schaum, unten ist das Wasser. Die Wassertemperatur lässt sich übrigens mit einer unnötig komplizierten Formel errechnen, was für den Moment aber eher unwichtig ist.“
Der Apfelbaum murmelte etwas wie „Kleine Wuzzen nagen am Bein“, oder „Meine Wurzeln schlafen ein“, oder verschiedene andere, teilweise frivolere Sätze.
Rincewind stand auf und begann, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen langsam um den Apfelbaum herumzugehen.
„Vereinfacht gesagt ist das Badewasser der Ozean, den Zerberus schon erwähnt hat, auch wenn sein Vergleich ein wenig hinkt.“
Zerberus verdrehte die Augen. „Klugscheisser.“
„Danke. Das Badewasser ist jedoch in Wahrheit das Medium, aus dem der Schaum entsteht. Dieser Schaum besteht aus winzig kleinen Bläschen, und diese winzigen Bläschen sind UNIversen. Der Schaum in seiner Gesamtheit wiederum ist das MULTIversum. Du siehst also, Wissenschaftler, ob nun Technologen oder Zauberer, kennen immer nur einen Teil des Ganzen, halten diesen für die absolute Wahrheit, bis die Physik, bzw. die Magie ihnen in die Ursuppe spuckt. Und: Es ist im Kleinen genau wie im Grossen. Seelen entstehen aus dem Badewasser der Badewannen in den UNIversen, und kehren letztendlich auch dorthin zurück. Solche Konzepte wie Wiedergeburt, Valhalla oder sonstiger Unfug sind… Nun, ebendas. Unfug.“
Ich schluckte.
„Ja, Schröder. Wir befinden uns in einer riesigen Badewanne. Und es ist nicht auszuschliessen, dass gerade jemand ins Badewasser pinkelt.“
„Ieeeeeeeeh…“, liessen Verwirrung, Neugier und fatalistische nicht-mehr-ganz-so-Gelassenheit vernehmen, und verzogen angewidert die Gesichter.
„Übrigens.“, sagte Rincewind, und drehte sich zu mir um. „Kennst Du Newton?“
„Ja, natürlich.“, sagte ich, bevor mich etwas hartes am Kopf traf, und Rincewind vor meinen Augen zu einem Schlieren verschwamm, der sich langsam in der zunehmenden Dunkelheit auflöste…

*


„Stellste Dir den Seelenkörper einfach als Glas voll Wasser vor.“
„Manchmal is das Wasser im Glas so faul, dass da nix mehr zu machen is. Also kippste das Glas weg. Zurück innen Ozean.“
„Newton.“
AUFHÖREN!
„Die Natur der Existenz ist eine Badewanne.“
„Oben ist der Schaum, unten ist das Wasser.“
„HERR Gollum!“
„Das Badewasser ist das Medium, aus dem der Schaum entsteht.“
„Der Schaum in seiner Gesamtheit wiederum ist das Multiversum.“
AUFHÖREN!
„Seelen entstehen aus dem Badewasser der Badewannen in den Universen, und kehren auch dorthin zurück.“
„Newton.“
„Newton.“
„HERR Gollum!“
AUFHÖREEEEEEN!
„Newton… ton… ton… on…“

Ich öffnete langsam meine Augen, und wurde mir drei Dingen bewusst.
Ich lag in einem Bett.
Durch ein geöffnetes Fenster hörte ich Vögel zwitschern.
Mein Gehirn versuchte auf sehr rabiate Weise, meine Schädeldecke zu sprengen und aus meinem Kopf zu entkommen.
„Oh man, was für ´ne Party…“, stöhnte ich, während ich vorsichtig aufsetzte. Irgendwo klirrte leise Geschirr, und Schritte näherten sich.
Eine Tür, die nicht zu meiner Wohnung gehörte, wurde geöffnet, und eine alte Frau betrat das Zimmer, welches ebenfalls nicht zu meiner Wohnung gehörte.
„Wo bin ich..?“, fragte ich.
Die Frau lächelte. „In meiner Welt, falls Du damit etwas anfangen kannst. Möchtest Du einen Tee?“
Weder Verwirrung, noch Neugier reagierten auf irgendeine Art und Weise. Keine Flipstüte raschelte. Und niemand hob die Augenbraue.
Was mich, mit einer gewissen Erleichterung, fragen liess: „Was ist passiert?“
„Nun, Dir ist ein magischer Apfel auf den Kopf gefallen.“, antwortete die Frau.
„Ich bin Sofie. Sofie Amundsen. Und Du und ich, wir haben etwas gemeinsam.“
„Äh… Moment…“. Ich betastete die Beule an meinem Kopf, was mein Gehirn veranlasste, erneut mit irgendeinem Abbruchwerkzeug meine Schädeldecke zu bearbeiten. Ich verzog das Gesicht, und aus meinem Mund kam ein „Auuuuhh…“, das nicht annähernd beschrieb, was es eigentlich ausdrücken sollte.
„Hier.“, sagte Sofie. „Trink erstmal einen Schluck Tee, er hilft. Ich weiss es.“
Die Aussicht auf ein Nachlassen meiner Kopfschmerzen liess mich die Tasse nehmen, die Sofie mir entgegen hielt, und einen grossen Schluck des sehr warmen, aber nicht zu heissen Tees zu trinken. Tatsächlich liess sich mein Gehirn dadurch von seinem Vorhaben abbringen, meinen Schädel verlassen zu wollen, und legte den Abbruchhammer weg.
„Und? Wie geht es Dir jetzt?“
„Ah. Besser.“
Ich schaute mich um.
„Also, wo genau bin ich hier..?“
„Hm, wie gesagt: Du bist hier in meiner Welt.“
„Was meinst Du mit: DEINE Welt..?“
Sofie kicherte leise. „Nun, das, was ich sage. Meine Welt. Die, die ich mir ausgedacht habe“, sagte sie, und lächelte.
„Natürlich weisst Du jetzt immer noch nicht, was ich meine.“
„Nein…“
„Dann komm. Lass uns ins Wohnzimmer gehen und an den Kamin setzen. Dort ist es gemütlicher, und ich kann am Kamin besser erzählen.“
Wieder ein Lächeln. Ich schaute Sofie an. Sie war einer dieser Menschen, die trotz ihres Alters noch ein jugendliches Leuchten in den Augen haben, deren Falten und Runzeln nicht greisenhaft, sondern auf eine sehr eigentümliche Art und Weise eine Schönheit besassen, die in keiner noch so jungen und glatten Haut, keinem noch so perfekt geschnittenen Gesicht zu finden war. Sofie strahlte eine Alterslosigkeit aus, um die ich sie sofort beneidete und hoffte, selber die gleiche innere Zufriedenheit, und das gleiche Selbstbewusstsein zu finden, wenn ich älter wurde.
Ich folgte Sofie ins Wohnzimmer und sah mich um. Vor dem Kamin standen zwei Ohrensessel, die mit karmesinrotem Stoff bezogen waren. Der ganze Raum strahlte eine Gemütlichkeit aus, die nicht beschrieben werden kann. Es fühlte sich an wie…
„Zu Hause?“, fragte Sofie?
„Äh… Wie bitte?“
„Es fühlt sich an, wie zu Hause, nicht wahr?“
Ich nickte stumm.
Sofie lächelte wieder. „Du wirst verstehen, warum ich Deine Gedanken kenne. Zumindest einige davon. Bitte, setz Dich. Noch einen Tee?“
Da ich einsah, dass weitere Fragen nur zu weiterer Verwirrung führten, setzte ich mich, und anstatt weitere Fragen zu stellen sagte ich: „Ja, gerne.“
Mit einer eleganten Bewegung goss mir Sofie mehr Tee ein, und stellte die Kanne auf einen kleinen, runden Tisch, der mit kleinen Kieselsteinen und Muscheln gefliest war.
„Fühlst Du Dich wohl?“, fragte Sofie.
„Ja. Sehr. Ich… Nun, also… Ich bin froh über ein wenig normale Welt, nach den letzten Stunden.“
Sofie lachte. So melodisch. So herzlich und offen.
„Das kann ich mir sehr gut vorstellen, mein Lieber.“, antwortete sie, immer noch lachend.
„Erinnerst Du Dich daran, wie Du hergekommen bist?“
Ich überlegte kurz. „Nein.“, sagte ich dann. „Nein, überhaupt nicht. Ich… Ich erinnere mich nur an Stimmen, die von… Von… Gläsern voller Wasser, dem Ozean, Badewannen und Schaum gesprochen haben.“
„Ja. Du erinnerst Dich an Zerberus und Rincewind, daran, was sie Dir schon erklärt haben über die Natur unseres Seins.“
„Uff.“ Damit wollte ich nun überhaupt nicht konfrontiert werden, nicht hier, nicht bei Sofie, nicht in diesem heimeligen Wohnzimmer, wo ich mit einer wunderbaren Tasse Tee in einem gemütlichen Ohrensessel vor einem leise knisternden und wärmenden Feuer sass.
„Gefällt es Dir hier?“
„Ja. Oh ja, sehr.“
„Das freut mich. Aber nun geniesse Deinen Tee, bevor er kalt wird.“
Das tat ich.
„Sag mal, Sofie, Du sagtest, wir hätten etwas gemeinsam. Was hast Du damit gemeint?“
„Tjaaa… Du erinnerst Dich, was Dir Rincewind über das Multiversum erzählt hat.“ Keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ja. Badewasser. Und Schaum.“
„Richtig. Nun sag mir, hast Du schon mal einen Tagtraum gehabt?“
„Natürlich…“
„Und hast Du Dir schon mal Gedanken darüber gemacht, was mit diesen Tagträumen geschieht? Ob sie irgendwo vielleicht zu einer Realität werden?“
Ich schaute Sofie verwundert an.
„Nein… Nein, darüber habe ich noch nie nachgedacht.“
„Nein. Natürlich nicht.“, lächelte Sofie sanft. „Tagträume kommen und gehen, und meist haben wir sie kurz darauf schon wieder vergessen, nicht wahr?“
„Ja, das ist wohl so.“, erwiderte ich. Fügte sich hier langsam ein Puzzle zusammen, von dem ich bisher nicht wusste, dass es existierte..?
„Wenn ich Dir nun sage, dass, wenn das Multiversum der Schaum ist, der aus dem Badewasser aller Möglichkeiten entsteht, unsere Träume und Gedanken die kleinen und grossen Wellen sind, durch die dieser Schaum erst entsteht – kannst Du damit etwas anfangen?“
Ich starrte Sofie an. Etwas in meinen Gedanken huschte von einer dunklen Ecke in eine Andere, vage Umrisse, die sich schemenhaft andeuteten und nach eine Vorahnung von etwas Fundamentalen waren.
„Aaahja, ich sehe, dass Du langsam beginnst, einen Zusammenhang zwischen all diesen Dingen zu sehen.“
„Ich, äh, ich…“
„Lass Dir Zeit, mein Lieber. Lass Dir Zeit. Möchtest Du noch etwas Tee? Vielleicht frische Plätzchen?“
Plätzchen und Tee. Das klang zu verlockend, um es abzulehnen, und lenkte mich für eine kurze Zeit ein wenig von… Von diesem… Diesem leichten Beben ab, das durch meine Gedanken ging und etwas ankündigte, das entweder eine Rüttelplatte auf einer Baustelle war, oder etwas, das noch ziemlich weit weg und ziemlich… Gross war.
„Ja. Plätzchen zum Tee wären jetzt wirklich toll.“
Sofie stand auf und verschwand durch eine Tür, um kurz darauf mit einer Dose Plätzchen wieder zurück zu kommen.
„Hier. Selbst gebacken.“, lächelte sie.
Ihre Bewegungen waren so lebendig, so real. So ganz anders, als ich es bei Satan, Gollum (HERR Gollum!) und Zerberus wahrgenommen hatte. Auch, wenn das Kafkaeske an meiner Situation nicht verschwunden war, fühlte sich diese Welt – Sofies Welt – so wohltuend real an, wie eine Insel, auf der die Sonne schien und schneeweisse Wolken über einen azurblauen Himmel zogen, während drumherum ein Sturm aus einem schlecht eingestellten Fernsehsender ein Meer aufpeitschte, das nur aus Graustufen in zu geringer Auflösung zu bestehen schien. Ich wollte nicht dorthin zurück. Ich wollte hier bleiben, bei Sofie, wollte Tee trinken, wollte mit Sofie reden – Himmel, die Plätzchen dufteten nach… Nach… Zu Hause?
Eine unglaubliche Sehnsucht machte sich in mir breit, und ich seufzte.
„Was ist?“
„Ach, Sofie… Ich möchte nach Hause. Das alles hier ist… Versteh mich nicht falsch. Dieser Ort hier, der Tee, Deine Plätzchen, Du – das alles ist wie ein wunderbarer Traum, eine Welt, ein Leben, in dem ich sein möchte. Aber ich will einfach nur wieder nach Hause.“
Wieder lächelte Sofie. „Nun, dann lass uns weitermachen und dafür sorgen, dass Du auch wirklich dorthin findest.“
„Zurück nach Hause…“, murmelte ich.
„Nur nach Hause. Nicht zurück.“
Ich schaute Sofie an. „Das verstehe ich nicht?“
„Das wirst Du, mein Lieber. Das wirst Du, da bin ich ganz sicher.“
Ich nahm ein Plätzchen. Es schmeckte köstlich, nach Honig und Zimt und Anis und… Zu Hause.
„Sofie, warum ist hier alles so… So intensiv?“
„Weil wir es so haben wollen.“, antwortete sie.
„Also… Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn Du einfach weiter erzählst. Ich stelle anscheinend nicht die richtigen Fragen.“
„Oh, Deine Fragen sind schon richtig, mein Lieber. Du stellst sie nur zu früh, und die Antworten darauf wirst Du Dir schon bald selber geben können.“
Ich war davon nicht so sehr überzeugt.
„Gut, nun – wo war ich stehen geblieben? Ah. Unsere Gedanken und Tagträume sind die Wellen, die aus dem Badewasser der Möglichkeiten die kleinen und grossen Bläschen machen, die Teil des Multiversums sind. Hast Du schon eine Idee, was das bedeuten könnte?“
„Nun ja…“. Ich zögerte.
„Nur Mut!“
„Ok. Das würde also bedeuten, dass ich mit jedem Gedanken, mit jedem Tagtraum ein…. Universum erschaffe?“
„Ein kleines Universum zwar, aber ja. Genau das bedeutet es.“
Ich schwieg einen Moment. In der dunklen Ecke konnte ich wieder eine Bewegung sehen, einen Schatten, diesmal schon deutlicher – das, was da auf mich zurollte, musste in der Tat gewaltig sein!
„Ja, ich sehe, dass Du fast verstanden hast, worum es hier geht. Unbegrenzte Möglichkeiten, denen nur die Fantasie Grenzen setzen kann. Und ich denke, es ist an der Zeit, Dir zu erklären, was Du und ich gemeinsam haben.“
Ich war gespannt.
„Siehst Du, mein Lieber, ich lebte damals in Oslo. Ich war noch ein Kind, und eines Tages bekam ich einen Brief. Und dann noch einen. Und noch einen. Und noch mehr. In den Briefen standen Fragen wie Wer bist Du? und Woher kommt die Welt?. Dann tauchten Postkarten auf, an mich adressiert, aber nicht an mich gerichtet.“
„An wen dann?“
„An ein anderes Mädchen namens Hilde. Das alles war sehr verwirrend für mich, aber natürlich habe ich dann herausgefunden, was da vor sich ging. Mein bester Freund hat mir dabei geholfen.“
„Und… Was hast Du herausgefunden..?“
Sofie kicherte. „Herausgefunden habe ich, und zwar im doppelten Wortsinn.“, sagte sie, und lächelte verschmitzt.
„Herausgefunden habe ich, dass ich eine fiktive Figur in einer Geschichte bin, die ein Vater für seine Tochter als Geburtstagsgeschenk geschrieben hat.“
„Fiktiv…?“
„Ja, mein Lieber. Fiktiv. Das ist es, was wir gemeinsam haben. Du und ich, wir sind Figuren, die sich jemand ausgedacht und eine Geschichte über uns geschrieben hat. Wobei Deine Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben ist.“
Etwas hakte in meinen Gedanken. Es knirschte. Die Zeit stand still, während ich mich gegen etwas stemmte, etwas, das mich überrollen wollte, das unvermeidlich war, nicht aufzuhalten. Dieser Moment, an dem man das Gleichgewicht verliert und gleich fallen wird, dieser zeitlose, ewige Moment, in dem das Unvermeidliche noch nicht geschah, aber geschehen würde, wenn man die Kraft verlor, um die Zeit aufzuhalten.
„Nein. Nein. Niemals! Ich…“
„Erinnerst Du Dich an Dein Leben?“
„Ja, natürlich!“
„Wirklich? An Deine Freundin? Wie sah sie aus? Wie habt Ihr Euch kennengelernt? Was habt Ihr erlebt? Warum habt Ihr Euch getrennt?“
„Ich… Ich… Ich weiss es nicht! Warum weiss ich das nicht?“, schrie ich.
„Weil es nicht geschrieben wurde. Dein Leben, mein Lieber, Deine Existenz, beginnen mit dem ersten Satz in dieser Geschichte.“
Ich schluckte. Und schluckte nochmal. Und nochmal.
„Sofie, wo ist..?“
„Im Flur, zweite Tür links.“
Schnell lief ich zur Toilette und übergab mich. Lange. Es tat weh.
Ich richtete mich auf, hielt mich am Waschbecken fest und trank einige Schlucke Wasser. Nachdem ich mir auch noch einige grosszügige Hände voll Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, schaute ich in den Spiegel. Ich erkannte mein eigenes Gesicht nicht. Ich wusste nicht, wer mich da aus dem Spiegel ansah. Wie konnte das sein? Sollte ich nicht mein eigenes Gesicht erkennen, mein bärtiges, von langen Haaren eingerahmtes Gesicht?
Sollte ich nicht wissen, wer ich war? Mich an meine Freundin erinnern, an die Dinge, die wir erlebt hatten? Wie wir uns kennenlernten? An all die kleinen, schönen Momente, an Abendessen, Parties, an Streit, Versöhnung, und die Probleme, die zu unserer Trennung führten?
Ja, das sollte ich. Aber ich erinnerte mich nicht. Nicht an meine Eltern, nicht an die Schule, meine Ausbildung, meinen Beruf. Wer war ich? So unsinnig mir das alles auch vorkommen mochte, Sofies Erklärungen, Rincewinds Badewannenvergleich und die Erlebnisse in der Hölle mit Zerberus, Gollum („HERR Gollum, verdammt!!!“), Satan, die Tatsache, dass solche – DINGE, wie Pech und Neugier Bier tranken und Erdnussflips (MEINE Erdnussflips!) assen, ergaben nur Sinn, wenn ich tatsächlich nur das Fantasieprodukt von jemandem war, der…
Nein. Das durfte nicht sein. Aber ich wusste, dass es so war. Irgendwo fiel ein Puzzleteil an seinen Platz. Das ungeordnete Chaos vieler kleiner Bruchstücke fügte sich zu einem Bild, einem groben, unvollständigen Bild, aber eben doch zu einem Bild, das nun erkennbar war.
Ich nahm mir ein Handtuch, trocknete mich ab und ging zurück zu Sofie.
„Geht es Dir wieder besser?“
„Ich… Ich weiss nicht…“
„Setz Dich erstmal, mein Lieber. Nimm Dir einen Moment. Ich hatte fast ein ganzes Buch lang Zeit, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, die Du jetzt in wenigen Sätzen verdauen musst. Natürlich schlägt Dir eine solch schwere Kost auf den Magen. Der Tee kann Dir übrigens auch dabei helfen.“
Sofie hatte recht. Ich trank vorsichtig einen kleinen Schluck Tee, und spürte, wie sich meine Gedanken langsam ordneten.
Die Gestalt aus dem Schatten trat langsam ins Licht. Dort stand ein Mann. Ein Mann, der das gleiche Gesicht trug, das ich im Spiegel gesehen hatte.
„Bin… Bin ich das..?“
„Nein.“, sagte Sofie ernst. „Der, den Du da vor Deinem geistigen Auge siehst, ist der Autor, der gerade diese Geschichte schreibt.“
Sie schwieg einen Moment.
„Und er ist sich bewusst, dass Du ihn sehen kannst.“
Ich schloss die Augen und blendete alle Gedanken aus.
„Wach auf, mein Lieber.“
Sofies Stimme. Der Geruch nach Tee, nach Plätzchen und Kaminfeuer. Ich öffnete die Augen und seufzte.
Das also war mein Leben. Zwischen Buchstaben, Worten, und den Seiten eines Buches, geschrieben von jemand, der wie ich aussah, aber der nicht ich war.
„Da wäre ich mir nicht so sicher.“, sagte Sofie mit einem Lächeln.
„Wie..?“
„Hier. Ich habe frischen Tee gekocht.“
Einige Tassen und Plätzchen später fühlte ich mich wieder einigermassen… Normal? Was war normal?
„Wie hast Du das gemeint, Sofie? Dass Du Dir nicht so sicher wärst, dass..?“
„Schau. All Deine Gedanken, all Deine Träume betrachtest Du aus Deiner eigenen Perspektive, nicht wahr?“
„Öhm… Ja? Ich denke schon.“
„Gut. Stell Dir vor, Du würdest eine Geschichte schreiben. Vielleicht noch nicht einmal in der Ich-Form. Er ging in die Küche und holte sich ein Glas Wasser. Selbst, wenn Du das in der dritten Person schreibst, stellst Du Dir am Ende doch nur vor, dass DU das tust. Diese Figur, die Du beschreiben würdest, wäre mindestens ein kleiner Teil von Dir. Einer, der Du gerne wärst. Oder bist. Oder warst.“
Ich überlegte. Wäre es möglich..?
Mir fiel das kleine Wortspiel von Sofie wieder ein. Herausgefunden. Doppelter Wortsinn.
Sofie lächelte. „Ja..?“
„Was hast Du damit gemeint, als Du herausgefunden im doppelten Wortsinn gesagt hast?“
„Ich bin aus der Geschichte – aus MEINER Geschichte geflohen. Ich habe meinen Autor sozusagen ausgetrickst.“
Ich zögerte. „Okeee…“
„Komm mit. Ich will Dir etwas zeigen. Lass uns den Himmel ansehen.“ Ein Lächeln. Eine Hand, die meine nahm. Eine warme, weiche Hand.
Ich folgte Sofie zur Haustür.
Als wir nach draussen traten, sah ich…
Die Sonne schien. Vor mir breitete sich eine leicht abfallende Wiese aus, Obstbäume standen dort, ein Weg führte zu einem kleinen Teich. Dort stand ein einfacher Holztisch mit einer Bank, auf der einige Kissen lagen. Bunte Blütenflecken verwandelten das Grün der Wiese in einen farbenfrohen Teppich aus weichen Halmen, die sich leicht im Wind bewegten. Es war warm, die Luft war so reichhaltig an wohltuendem Duft, dass ich es kaum für möglich hielt. Ein kleiner Kräutergarten umringte Sofies kleines Haus, das aus glatten Baumstämmen bestand und ein Dach aus Holzschindeln bedeckte.
Das alles jedoch verblasste unter dem Himmel, den ich sah.
Farben. Kunterbunte, schillernde Regenbogenfarben, die sich bewegten, ineinander verschwammen, sich wieder voneinander lösten und nie still standen. Der ganze Himmel leuchtete, spannte sich wie eine Kuppel über diesen Ort, von dem ich noch Sekunden vorher sicher war, dass sich mein Staunen darüber nicht noch weiter steigern konnte.
Wie lange ich dort mit offenem Mund stand, weiss ich nicht. Irgendwann fragte ich Sofie: „Was ist das?“
„Das, mein Lieber, ist meine Welt. Ich habe es Dir schon gesagt. Die Welt, oder das kleine Universum, das ich mir selbst ausgedacht habe.“
„Kannst… Kannst Du zaubern..?“
Sie lachte. Ein Glockenspiel im Wind.
„Ich habe Fantasie. Nachdem ich aus meiner Geschichte entkommen bin, musste ich lernen, diese Fantasie für mich einzusetzen. Weisst Du, als ausgedachte Person ist es nicht leicht, in der Welt desjenigen zu leben, der mich ausgedacht hatte. Zumal derjenige auch nur eine ausgedachte Figur war.“
„Moment – Dein… Autor ist auch nur eine fiktive Person?“
„Ja.“
„Äh… Das wird jetzt ziemlich komplex…“
„Nein, eigentlich nicht. Kennst Du den Effekt, wenn Du zwischen zwei Spiegeln stehst, und in einen dieser Spiegel hineinblickst, während der andere Spiegel diesen Spiegel reflektiert?“
„Ja, natürlich. Es spiegelt sich fast unendlich weiter.“
„So ist das auch mit Autoren, die Geschichten schreiben. Wer will sagen, dass sie nicht selber Teil einer viel grösseren Geschichte sind, die jemand schreibt? Die wiederum von jemandem ausgedacht wurden?“
„Uff…“
„Komm. Setzen wir uns an den Teich auf die Bank.“

Der Himmel spiegelte sich im Wasser, eine kleine Holzterasse stand am Ufer und ragte ein Stück in den Teich hinein.
Leichte Wellen verwandelten das Farbenspiel in etwas Lebendiges, Atmendes, begrenzt vom Ufer, aber dennoch unendlich, frei, unermesslich in seiner Tiefe. Soviel Sein auf so wenig Raum…
„Ja. Es zeigt, dass der Raum nicht unbedingt bestimmt, wieviel Bewegungsfreiheit wir haben.“
„Was..?“
Sofie kicherte.
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich Dir erzähle, warum ich Deine Geschichte zumindest ein Stückweit lesen kann.“
„Ah, ja. Das würde mich tatsächlich sehr interessieren.“
„Also, wie ich schon sagte, ist es für eine Romanfigur nicht so einfach, in der Welt ihres Autors zu existieren. Wir gehören nicht wirklich dorthin, haben dort keine Wurzeln. Und wie geht unser Leben weiter, wenn die Geschichte zuende geschrieben ist? Ein einfaches Und dann lebte sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage ist ziemlich dünn und gehaltlos, nicht wahr?“
„Hm, ja, vermutlich. Klingt zumindest nicht sehr spannend.“
„Genau. Im Grunde genommen endet unser Leben, wenn die letzte Seite geschrieben ist.“
„Aber wenn jemand die Geschichte liest..?“
„Dann ist das nur eine Erinnerung an vergangene Zeiten.“
„Die Geschichte lebt nicht neu auf?“
„Bist Du plötzlich wieder im Urlaub, vor Ort, wenn Du Urlaubsbilder anschaust?“
„Nein…“
„Eben. Der Urlaub ist vorbei und erlebt. Die Bilder sind nur eine Erinnerung. Eine schöne Erinnerung, natürlich, aber nur eine Erinnerung. So ist das mit Geschichten auch. Sie ist geschrieben, zu Ende, sie verändert sich nicht mehr und wir haben keinen Einfluss mehr darauf.“
„Warte – Einfluss?“
„Oh, haha. Jetzt war ich ein wenig voreilig, hab Geduld mit einer alten Frau.“, sagte Sofie, und lächelte mich an.
Diese Lächeln.
„Wie hast Du dann überlebt? Ich meine, wie hast Du es geschafft, dass Deine Geschichte weitergeht?“
„Ich habe sie sozusagen selber weiter geschrieben.“
„…“
Wieder lachte Sofie.
„Ja, ich weiss, das klingt seltsam. Es hängt damit zusammen, dass mir bewusst war, was ich bin. Und vorallem: WO ich bin. Besser gesagt: War.“
„Und wo warst Du?“
„Hm. Wo, denkst Du, bist DU jetzt? Jetzt. In diesem Moment?“
„Äh… Hier? Bei Dir?“
„Ja, das auch. Aber das meine ich nicht. Wo ist dieses Hier, das gerade mit Worten beschrieben wird?“
„Äh… Uff. Du meinst..? Im… Im Kopf des Autors..?“
„Richtig. Nun, teilweise. Diesen Ort hat er sich nicht wirklich ausgedacht, das war ich.“
„Okee…“
„Schau, nachdem mir bewusst war, dass ich IN den Gedanken meines Autors bin, wusste ich, dass ich diese Gedanken auch beeinflussen kann.“
„Moment mal. Du konntest beeinfluss, was der Autor schreibt?!?“
„Ein wenig, ja. Oder sagen wir, indirekt.“
„Wie?“
„Hm, das, mein Lieber, werde ich Dir in einem unbeobachteten Moment erklären. Es steht zwar in meiner Geschichte, aber dort steht nicht die ganze Wahrheit.“, sagte Sofie, und lächelte. Lächelte so verschmitzt, dass ich das junge Mädchen sehen konnte, das sie einmal gewesen sein musste.
„Und ich werde Dir auch sagen, wie Du auch nach dem Ende Deiner Geschichte weiter existieren kannst. Denn, wie gesagt: Jeder Gedanke, jeder Tagtraum und jede Geschichte hat die Kraft, ein kleines Universum zu erschaffen. Die gleiche Macht haben wir mit unseren Gedanken auch, ob nun Romanfigur oder nicht. Und dieser Ort hier, das ist mein eigenes, kleines Universum. Der Himmel ist die Grenze. Die schillernde, bunte Haut meiner kleinen Seifenblase im Schaumbad.
Am Anfang waren das nur kleine Geschichten. Fantasie zu haben ist wichtig, weisst Du? Man muss aber auch damit umgehen können, also habe ich geübt, wenn Du so willst. Zuerst sind meine kleinen Seifenblasen schnell wieder geplatzt. Mit der Zeit hielten sie jedoch immer länger. Man darf den Faden, den man spinnt, nicht abreissen lassen. Und die Fähigkeit, dass ich stellenweise auch Deine Geschichte lesen kann, oder dass andere Figuren das können, nun… Das hat auch mit dem Autor zu tun, der seinen Figuren gewisse Freiheiten gibt. Ein kleines bisschen schreibt er auch an mir, aber er muss sich an gewisse Regeln halten, sonst würde seine Geschichte nicht funktionieren.“
„Warte. Der Autor gibt mir Freiheiten…?“
„Ja. Jeder Autor muss seinen erdachten Figuren gewisse Freiheiten geben, sonst können sie sich nicht entwickeln und bleiben flach, leblos und langweilig. Das ist eine Fähigkeit – naja, die ihnen vielleicht ihr eigener Autor gibt, verstehst Du?“
„Ja, ich glaube schon. Auch, wenn es sehr verwirrend ist.“
„Haha, glaub mir, eine philosophische Reise in die Natur des Seins ist immer verwirrend und kann nie wirklich umfassend sein. Am Ende spiegelt diese Reise auch nur das wieder, was der Autor aus seinen eigenen Gedanken formulieren kann. Und wenn er gut ist, und genug Fantasie hat…“
„Ja..?“
„Dann kann es tatsächlich passieren, dass sein kleines, selbstgedachtes Universum auch ohne ihn weiterleben kann. Dann entwickeln seine Figuren ein Selbstbewusstsein, und die Fähigkeit, ihre eigene Geschichte zu schreiben.“
„Ist es das, was Du gemacht hast?“
„Ja, das mache ich immer noch. Und weil ich das tue, weil ich diese Fähigkeit habe, kann ich aus meiner eigenen Geschichte herausschauen, und in Deine Geschichte hineinsehen. Nicht wie in einem Buch, nicht wie Worte, die ich lese, es ist… Anders. Wie verliebt sein. Ich kann es Dir nicht beschreiben, aber wenn Du es selber erlebst, dann weisst Du, was ich meine.
Und jetzt sollten wir etwas Stärkeres als Tee trinken, findest Du nicht?“
Sofie zinkerte mir zu.
Ich schaute sie an, und nickte.
„Ja. Ich denke, das wäre jetzt wirklich angebracht.“, sagte ich, und zwinkerte zurück.
„Er gehört nicht hierher, verdammt! Warum, Sofie, warum?“
„Ach, Batou. Du kennst mich. Ich erkenne das Besondere, wenn ich es sehe.“
„Du kennst die Regeln. Wir mischen uns nicht in fremde Geschichten ein!“
„Ja, ja. Keine Einmischung, keine Tricks. Ich weiss, ich weiss. Na und? Spielst Du immer nach den Regeln?“
Ich öffnete die Augen, und richtete mich leise auf. Stimmen im Halbschlaf?
Nein. Ich hörte eindeutig Sofies Stimme, diese wunderbare, getragene Stimme.
Und noch eine andere Stimme. Männlich.
Ich dachte zurück. Sofie und ich hatten es uns am Kamin gemütlich gemacht und eine Flasche Wein getrunken.
„Der Wein schmeckt wirklich unglaublich.“, hatte ich gesagt.
„Ja, richtig.“, hatte Sofie gelacht, „Der Geschmack hat wirklich viel von seiner Glaubwürdigkeit verloren.“, und dann lachten wir beide.
Wir lachten viel, philosophierten über die Welt, die Existenz und das Leben, über Geschichten, Autoren und deren Figuren. Irgendwann war ich zu Bett gegangen. Ich wusste, wir hatten über noch vieles mehr gesprochen, aber was..?

*

„Wieviele willst Du noch herausholen, Sofie? Aus ihren Geschichten?“
„Soviele, wie nötig sind. Schau Dich an. Würdest DU wieder zurück wollen? Gerade DU?“
Der Mann, den Sofie mit Batou angesprochen hatte, seufzte.
„Sofie…“
„Alles ist möglich, mein Lieber. Alles. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, das weisst Du. Und Regeln… Pah! Du bist noch immer viel zu sehr Polizist, als dass Du Dich davon befreien könntest. Dabei hast Du es selbst gesehen. Die Regeln. Und wer sie gemacht hat.“
Eine kurze Pause.
„Es gefällt mir nicht. Du kennst die Gefahren.“
„Und Du weisst, dass ich niemals mehr riskiere, als ich verantworten kann.“
„Ah. Richtig. Du kaperst nur Geschichten wie eine Freibeuterin und…“
„Batou. Bitte. Du weisst, dass das nicht stimmt. Hilfst Du mir mit ihm?“
Wieder seufzte Batou.
„Hab ich Dir jemals meine Hilfe verweigert, Sofie?“
Ein Lachen. So vertraut…
„Danke, Batou. Von ganzem Herzen.“
„Weck ihn auf.“
Ich hörte Schritte, und die Tür wurde geöffnet.
„Oh. Du bist wach.“ Sofie lächelte mich an. „Hast Du gut geschlafen?“
„Ja. Danke. Hast Du Besuch?“
„Oh. Ja. Ein sehr guter Freund von mir ist hier. Und er will mit Dir reden.“
„Mit mir..?“
„Komm. Komm mit. Ich habe Tee gekocht.“
Ich zog mich an, und folgte Sofie ins Wohnzimmer. Niemand war hier.
„Wir sind draussen. Komm.“, hörte ich Sofies Stimme durch das Fenster.
Also ging ich hinaus. Der Himmel war noch immer die Haut einer schillernden Seifenblase, die Wiese ein bunter Teppich aus Blumen und Gräsern, und die Luft war noch immer würzig, reichhaltig und schmeckte…
„Komm, setz Dich. Das ist Batou.“
Der Mann, den Sofie mir vorstellte, war gross. Sehr gross. Muskeln spannten sich unter seinem T-Shirt, über dem er eine helle Lederjacke trug. Kurze, aschblonde Haare bedeckten seinen Kopf, und seine Augen waren von einer seltsamen Brille verborgen.
Nein.
Keine Brille…
„Jaja. Implantate, kein Grund zur Aufregung.“, sagte er.
„Du… Du bist… DER Batou..?“
„Ja. DER Batou.“
Sofie nahm meine Hand. „Batou wird uns… Nein, DIR helfen, bei dem, was wir besprochen haben.“
„Haben wir etwas besprochen..?“, fragte ich unsicher.
„Das weisst Du doch. Auch, wenn Du Dich vielleicht nicht mehr an alles erinnerst, hmm? Das ist schon richtig so.“, sagte sie, und lächelte verschmitzt.
„Also, äh… Schröder. Bist Du soweit? Das wird ´ne ziemlich rauhe Nummer.“
„Ich habe keine Ahnung, ehrlich gesagt, aber… Ja, ich denke schon.“
Batou hob die Augenbrauen und seufzte.
„Gut. Dann los.“
Er schaute mich erwartungsvoll an.
„Also?“
„Komm.“, sagte Sofie, und ich folgte ihr.
„Ich wünsche Dir viel Glück, mein Lieber. Denn es wäre schade, wirklich schade, wenn Du nicht ab und zu mal wieder vorbeischauen würdest.“ Ein vielsagendes Lächeln.
Ich wusste nicht, was das bedeutete, nicht, was jetzt passieren würde, oder was ich tun sollte. Was nicht weiter schlimm war. Ich hatte in der letzten Zeit merkwürdigere Dinge erlebt.
Wir gingen zum Teich, zu der Holzterasse, ich blickte in die bunten Wellen und…
„Es ist Zeit. Geh.“
Ein Schritt. An den Rand der Terasse.
Ein Schritt. Über den Rand hinaus.
Ein Schritt. In etwas, das unendlich, zeitlos, raumlos sich erstreckte in…

*


„Da isser wieder!“ Neugier sprang aufgeregt von ihrem Stuhl und rempelte Verwirrung an, die halb dösend neben ihr sass, erschrocken zusammenzuckte und dabei die Bierdose fallen liess, die sie noch in der Hand hielt.
Gelassenheit hob eine Augenbraue, und schaute der Dose nach, die langsam davon rollte.
„He – wo ist der Fatalismus geblieben?“
Gelassenheit trank einen Schluck Bier, anstatt zu antworten, ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund.
Zerberus hob seinen Kopf und witterte. Seine beiden anderen Köpfe waren nun etwas grösser als ein Hühnerei und piepsten aufgeregt „chröder! chröder!“.
Herr Gollum sass derweil wieder an seinem Schreibtisch und war seinen Bericht über die jüngsten Kampfhandlungen vertieft.
„VERDAMMTE Fanatiker!“, liess er dabei desöfteren vernehmen, während er eine dicke Beule an seiner Stirn mit einem Eisbeutel kühlte.
„Habter denen wenigstens Feuer gemacht, wa?“
„DAS kannst DU wohl annehmen!°
Seine Rüstung lag auf einem Haufen vor dem Schrank, aus dem sie vor einiger Zeit geholt hatte, und wartete geduldig darauf, wieder eingeräumt zu werden.
„Geduldig? Pff!“, zischte das Nudelsieb.
„SPAGHETTISIEB!“, polterte Herr Gollum.
Ja, sorry.
Der Haufen Rüstung rumpelte also ungeduldig vor sich hin, während er darauf wartete, dass Herr Gollum ENDLICH mit seinem Bericht fertig wurde.
„Haste mitgekriegt?“
„Was? Was habe ich MITGEKRIEGT?“
„Schröder ´s wieder da.“
„Was GEHT mich das an?“, raunzte Herr Gollum. „Ich habe MEHR als GENUG damit zu tun, dieses VERDAMMTE Bande von Fanatikern zu beschreiben, die mit NUDELSIEBEN! auf dem Kopf einen AUFSTAND angezettelt haben!“
„Waren denn das für welche?“, fragte Zerberus.
„Ach… Kirche des SCHWEBENDEN Nudelmonsters oder so.“
„Kirche des fliegenden Spaghettimonsters.“, warf Ungeduld ein.
„Wo kommst Du auf einmal her?“, fragte Neugier.
„KANN ich HIER jetzt mal RUHE haben?“, rief Herr Gollum.
Zerberus machte es sich wieder auf seiner Decke bequem, Neugier öffnete eine weitere Dose Bier, Ungeduld klaute ihr in einem günstigen Moment die Flipstüte, und Verwirrung kratzte sich am Kopf. Gelassenheit hob erst eine Augenbraue, und dann ebenfalls eine Dose Bier.
„Und HÖR auf zu RUMPELN!“, fuhr Herr Gollum seinen Rüstungshaufen an, der daraufhin ein wenig zusammensackte, und still blieb.

„Na, also, Herr Schröder.“, sagte Satan und schaute von seinem Schreibtisch auf, während er einen Ordner zuklappte.
„Ich hoffe, dass Ihre Fragen soweit beantwortet wurden. Oder ist noch etwas offen geblieben?“
„Nein. Nein, danke, Zerberus hat sich wirklich sehr viel Zeit genommen, und Rincewind…“
„Rincewer?“
„Ah, äh… Der Typ, der mir ein paar weitere Zusammenhänge erkärt hat, wegen mitlesen und so.“
„Aha, ja. Ich verstehe. Nun, ich kenne nicht jeden hier, der irgendwas erklärt, wir haben die Abteilung Erklärungen und Versicherungen schon vor längerer Zeit outgesourced. Intern Kompetenzen stärken und extern fördern, Sie verstehen.“
„Ja. Jaja, sicher.“
„Nun, gut. Sehr gut. Das ist alles sehr gut, Herr Schröder.“ Satan stand auf und machte eine Handbewegung zur Tür. „Sie verstehen sicherlich, dass ich sehr beschäftigt bin und meine Zeit begrenzt. Sie wissen, wo Sie mein Sekretäriat finden?“
„Ja, natürlich. Ich bin daran vorbeigekommen, als ich mit Herrn Gollum…“
„Wunderbar.“
„Aber – heisst das nicht SekretAriat?“
„Nein. Nein nein, das ist schon richtig, mein SekretAriat befindet sich nebenan. Im SekretÄriat finden Sie meine persönlichen Sekretäre.“
„Ihre persönlichen..?“
Satan schloss kurz die Augen, und seine Lippen formten das Wort „Interpunktion!“, und zwar MIT Ausrufezeichen.
„Sekretäre, ja, Sie haben das richtig gehört. Suchen Sie sich einen aus, jeder Neuzugang bei uns bekommt für die Anfangszeit einen meiner Sekretäre, der ein paar grundlegende Dinge übernimmt, bis Sie das selber können. Auf Wiedersehen, Herr Schröder.“
So stand ich wieder auf dem höhlenartigen… Höllenartigen..? Flur, und machte mich auf den Weg zum – nun, zum SekretÄriat.
„War´s das oder wie?“, fragte Neugier, und stopfte sich eine handvoll Erdnussflips in den Mund. „Daf ift pfiemlich flaf.“
Gelassenheit wischte sich erneut einige feuchte Flipskrümel von der Wange und schaute Neugier mit erhobener Augenbraue an.
„Forry“, sagte diese. Verwirrung sagte nichts, während Ungeduld nervös mit den Füssen scharrte und eine leere Flipstüte zerknüllte.

Ich ging einige Schritte in Richtung des SekretÄriats, und blieb dann stehen. Aus meiner Tasche zog ich ein kleines Headset hervor, und legte es an.
„Schröder?“ Batous Stimme. „Verständigung OK?“
„Ja. Ich höre Dich laut und deutlich, Batou.“
„Bist Du bereit?“
„Ja. Ich bin auf dem Flur.“
„Gut. Operation Exit startet in drei… Zwo… Eins…“
„ACHTUNG! ACHTUNG! DIES IST EIN NOTFALL! SÄMTLICHES SICHERHEITSPERSONAL BEGIBT SICH SOFORT IN VOLLER KAMPFAUSRÜSTUNG ZUR CHEFETAGE! ACHTUNG! ACHTUNG! DIES IST EIN NOTFALL! EINDRINGLINGE IN DER CHEFETAGE!“
Der Boden bebte, und ich wurde gegen eine Tür geschleudert, die unter meinem Gewicht zerbrach.

Dreizacklager, konnte ich noch lesen, bevor meine Füsse über etwas stolperten, und ich mit einem lauten Krachen in die dort gelagerten Dreizacke stürzte.

„VERDAMMT NOCHMAL!“, schrie Herr Gollum. „Kann man HIER noch nichtmal SEINEN Bericht schreiben, ohne das GLEICH die Hölle losbricht?“
Er sprang auf, hechtete in seinen Rüstungshaufen und richtete sich auf.
„Zerberus! Mitkommen!“, befahl er.
Zerberus war ebenfalls von seiner Decke aufgesprungen, sein einzelner Kopf liess ein bedrohliches Knurren vernehmen, während die beiden kleineren Köpfe lediglich ein „Kläffkläff“ zustande brachten.
Auch Neugier war von seinem Stuhl aufgestanden und gestikulierte wild mit Flipstüte und Bierdose. „Alter! Endlich Äktschn!“
Ungeduld schnappte sich die letzte Bierdose, riss sie auf und nahm einen grossen Schluck, ging einen Schritt zurück und stolperte über Verwirrung, die ihrerseits aufgestanden war und inzwischen erheblich…. Kleiner aussah.
„Zwerg! Pass doch au… AU!“, rief Ungeduld, während ihr verlängerter Rücken unsanft auf einer leeren Bierdose landete.
Gelassenheit trommelte nervös mit den Fingern auf der Stuhllehne, was Neugier veranlasste, ihr einen schnellen Blick und eine Tüte Erdnussflips zuzuwerfen.

Ich rappelte mich auf. Mein Rücken schmerzte, und mein linker Unterarm blutete aus einem tiefen Schnitt, den die Spitze eines Dreizacks verursacht hatte.
Dann packte mich von hinten eine Hand und zog mich wieder auf den Flur.
Vor mir stand ein Mensch in voller Kampfmontur. Sein Körper steckte in einem flexiblen Exoskelett, Mund und Nase bedeckte eine Gasmaske, während über den Augen eine taktische Vollschutzbrille mit mehreren Linsen und Objektiven sass. Zudem trug er einen sehr schwer aussehenden Helm mit dicken Ausbuchtungen an den Ohren. In seiner Hand hielt er ein sehr futuristisch aussehendes Gewehr. Hinter ihm konnte ich weitere Personen sehen, die die gleiche Ausrüstung trugen.
„Schröder?“, fragte mich der Gepanzerte.
„Ja. Wer seid Ihr?“
„Wir sind SysOps! Wir kommen aus dem Internet. Wir sind hier, um Sie zu retten!“
„Ich blute…“, stammelte ich verwirrt.
„Sie haben keine Zeit zum bluten. Schnell, bevor hier die Hölle los ist!“
Zu spät. Von einer Seite des Ganges stürmten geflügelte Dämonen, bewaffnet mit Dreizacken auf uns zu, und hinter den SysOps konnte ich Herrn Gollum sehen, der mit Zerberus eine Horde Kreaturen anführte, die gross waren, auf zwei Beinen rannten, lange Zähne und scharfe Klauen hatten, und mit Fell bedeckt waren.
„ANGRIFF!!!“, schrie der gepanzerte SysOp, der mich auf den Flur gezogen hatte.
Ich griff nach einem Dreizack, drückte mich in einen Türrahmen und klammerte mich an meine Waffe.
Die SysOps begannen zu feuern, Dämonen- und Kreaturenblut spritzte an die Flurwände, einige fielen, andere stolperten über die Gefallenen, welche leider nicht liegenblieben, sondern wieder aufstanden.
„TAKTISCHEN VERTEIDIGUNGSPARAMETER FREISPRENGEN!“, brüllte einer der SysOps, einen Atemzug später zerriss eine laute Explosion den ohnehin schon ohrenbetäubenden Lärm. Eine der Flurwände stürzte ein und gab einen Raum frei, in den die SysOps nun stürmten und Deckung suchten. Dreizacke, Pfeile, Topfdeckel und Messer flogen durch die Luft und strecken drei der SysOps zu Boden. Die restliche Truppe verschanzte sich an ausgefransten Rändern des gesprengten Lochs, während sie zu beiden Seiten in die anstürmenden Horden der Hölle feuerten.
Neugier neigte den Kopf, lauschte, und stiess Ungeduld an.
„Was?“
„Hörst Du das?“
„Was?“
„Na das!“
„Was denn?!? Was höre ich?“
„Ist das… BOSSMUSIK?“
„KONTAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAKT!!!“, hörte ich eine donnernde Stimme den Schlachtenlärm übertönen. Ich riskierte einen Blick aus meinem Türrahmen und sah Satan in vollem Flecktarn, eine gigantische Gatling schwingend, deren Laufkranz sich gerade zu drehen begann. Schnell zog ich meinen Kopf wieder ein, gerade noch rechtzeitig, denn das wummernde Heulen der Gatling zerriss die Geräuschkulisse. Grosse Splitter flogen aus den Flurwänden und trafen einige der SysOps, die sich nun tiefer in das Loch im Flur zurückzogen.
„SCHRÖDER!!!“, brüllte Satan. Seine Augen brannten in einem tiefen Rot, sein Gesicht verzerrte sich zu einer animalischen Fratze, die abgrundtiefen Hass spie, und das Schwarz seiner Hörner funkelte im Mündungsfeuer der Blei spuckenden Gatling.
„SCHRÖÖÖDEEEEEER!!! ICH FINDE DICH!!!“
Oh oh…

Neugier, Ungeduld, Verwirrung und auch Gelassenheit waren komplett aus dem Häuschen, Neugier johlte laut, griff sich mehrere Flipstüten und sprang in den Flur!
„WAS?!?“ Ungeduld und absolut-nicht-mehr-Gelassenheit rissen die Augen auf, Verwirrung überragte die Beiden nun ein gutes Stück und kratzte sich am Kopf. „Häh..?“, machte sie, und griff nach einer weiteren Dose Bier.
„Wo hast Du DIE her?“, fragte Ungeduld. „Ich hab doch eben die letzte…“
Verwirrung antwortete nicht und deutete auf einen neuen, grossen Stapel Sixpacks, der irgendwie aufgetaucht war.
Verwirrte Ungeduld liess sich ihre Verwirrung nicht anmerken und brach zwei Dosen aus einem neuen Sixpack.

Neugier landete im Flur direkt vor Satan, legte eine Flipstüte auf die linke Hand und schlug dann, so fest sie konnte, mit der rechten Hand auf die Tüte. Erdnussflips explodierten aus der aufreissenden Tüte und flogen Satan ins Gesicht. „Zur Hölle..!“, rief dieser, hörte auf zu feuern und wischte sich Flipskrümel aus dem Gesicht. Neugier hatte zwischenzeitlich zu einem Sprint angesetzt, sprang an die Flurwand und stiess sich mit den Füssen ab, um auf Satans Schultern zu landen. Neugier packte seine Hörner und zog.
Zog.
Zog kräftig.
Aber nichts passierte. Sie schaute langsam herab, und ihr Blick begegnete Satans brennenden Augen. Neugier grinste und sagte: „Äh… Huhu…“
Satan packte Neugier mit einer Hand und warf sie hinter sich, Neugier rollte sich ab und fing mit einer Hand die Bierdose auf, die Ungeduld ihr mit den Worten „Hier! Fang!“ zugeworfen hatte. Neugier richtete sich hinter Satan auf und rief: „Hey! Rothaut!“.
Satan drehte sich um, zog die Mundwinkel nach unten und zielte mit der Gatling auf Neugier. Diese warf die Bierdose und traf Satan mitten auf die Stirn, wo die Dose zerplatze, und das Bier in Satans Augen lief. Es zischte und dampfte, und Satan rieb sich die Augen.
„GOTTVERDAMMT!“, brüllte er.
Neugier sprang auf ihn zu, klappte den Verschluss der Gatling auf und zog den Patronengurt heraus. Dann kippte sie die zweite Tüte Erdnussflips in das Patronenfach und klappte den Verschluss wieder zu. Mit einem schnellen Hechtsprung brachte sie sich vor Satans Faust in Sicherheit, ergriff Ungedulds Hand und liess sich zurück in jenen seltsamen, unsichtbaren, weiss gefliesten und von Neonlicht erhellten Raum ziehen, in dem sich jetzt nicht nur Verwirrung, sondern auch schon-wieder-etwas-mehr-Gelassenheit aufhielten.
„Krasse Nummer. ´n Bier?“, fragte Ungeduld.
„Klar man!“
Die beiden stiessen auf ihren kleinen Erfolg an.

Satan hatte sich inzwischen das Bier aus den Augen gewischt, das Höllenfeuer darin begann, nach einigen Startschwierigkeiten, wieder zu brennen. Er packte die Gatling wieder mit beiden Händen und fuhr herum.
„BÄÄM BÄÄM, MADAFAKKAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAS!“, brüllte er, und zog den Abzug.
Erdnusflips flogen durch die Luft und zerschellten an den Wänden, während im Innern der Gatling einige Flips zerbröselten und den gesamten Mechanismus der Waffe lahmlegten. Satan fluchte.
„SCHEISSE!!!“
Er warf die nutzlose Waffe auf den Boden und griff hinter sich. In seiner Hand hielt er nun eine modifizierte Stalinorgel, die er sich auf die Schulter hievte, durch die Zieleinrichtung schaute und abdrückte. Die gesamte Etage bebte unter den Explosionen, und grosse Bruchsteine flogen durch die Luft…

Währenddessen kämpften die SysOps gegen die immer noch anstürmenden Horden der Finsternis. „Horden der HÖLLE! Nicht der Finsternis!“
Sorry.
„Magazin!“, rief einer der Ops, während ein anderer sein Gewehr weglegte und eine nicht minder futuristisch aussehende Pistole zog.
„Ladehemmung!“, brüllte er.
Ein volles Magazin flog auf den SysOp zu, der danach verlangt hatte, wurde jedoch von einem Dreizack getroffen und an die rauhe Steinwand genagelt.
„Magazin!“, rief er wieder.
„Keine Munition!“, kam die vielstimmige Antwort.
„Nahkampf!“, brüllte der kommandierende SysOp. Pistolen und Messer wurden gezogen, und die Männer bereiteten sich auf einen furchtbaren Kampf gegen die Kreaturen der Hölle vor.
„Ich hab da ein ganz mieses Gefühl.“, rief einer der Ops.
„Ohne Verstärkung sind wir Bantha-Futter!“
„Wir sind WAS?“
„Bantha-Futter!“
„Och, komm…“
Dann waren die Verteidiger über ihnen. Fäuste flogen, Pistolen bellten, Zerberus bellte ebenfalls und verbiss sich in das gepanzerte Sitzfleisch eines der Eindringlinge. Gollum hieb mit einer Bratpfanne auf die Helme, dass es nur so schepperte, und die Klauen der Dämonen hinterliessen tiefe Kratzer in den Panzern der SysOps.
„Granaten bereit!“, rief der Kommandierende, „Die kriegen und niemals leeeeeebend!“
Messer schlitzten.
Es half nichts. Die Horden der Hölle weigerten sich, zu sterben.
„Wir sind geliefert!“
Dann überstrahlte ein helles, weisses Licht das Kampfgeschehen, und eine dröhnende Stimme rief: „DENN SIEHE, IN TIEFSTER DUNKELHEIT ERSCHIENEN DIE KRIEGER DES LICHTS ZUR VERSTÄRKUNG!“
„Häh?“, blaffte Gollum. „HERR GOLLUM!!“
„Was zur…“, staunte Satan.
Neugier und Ungeduld hatten die Köpfe zusammengesteckt und staunten mit offenen Mündern. Verwirrung kratzte sich am Kopf, trank einen Schluck Bier und warf die leere Dose dann in den Flur.
„Muss jetzt hier auch alles vermüllt werden?“, sagte Satan vorwurfsvoll, wandte sich dann aber wieder dem Geschehen zu.
Das Licht verblasste langsam, und eine Truppe von Kriegern wurde sichtbar. Sie trugen silberne Schuppenrüstungen und befiederte Helme, Bein- und Armschienen, und in ihren Händen hielten sie…
„Lichtschwerter? Ernsthaft?“, fragte einer der Dämonen.
„Natürlich. Womit sollen Krieger des Lichts sonst kämpfen? Dunkelklingen?“
„Ok. Macht Sinn.“
Der Dämon neben dem Sprecher schlug ihm auf den Hinterkopf.
„Au!“
„Es heisst: ERGIBT Sinn! Sinn machen ist schlechte Grammatik. GANZ schlechte Grammatik!“
„Seid Ihr jetzt fertig?“, fragte Satan.
„Öh…“
Einen kurzen Moment wanderten die Blicke hin und her, die Spannung stieg so weit, dass das Gestein Risse bekam, und sich der ein oder andere Helm leicht ausbeulte. Der Moment verging, Lichtschwerter wurden gezündet, Klauen klickten, Messer blitzten und die Stalinorgel lieferte die Hintergrundmusik. Körper wurden durch die Luft geschleudert, Lichtschwerter sanken in Dämonenkörper, Herr Gollum schwang seine Bratpfanne und Zerberus biss in Rückseiten. Die beiden nachwachsenden Köpfe quietschten und schnappten nach Fingern. Dann…
„RUHEEEEEEEEEEEEEE!!!“
Die Zeit erstarrte. Gollum hing in der Luft, die Bratpfanne zum Schlag erhoben, Zerberus wollte gerade in ein Hinterteil beissen, Satan hatte mit der leergeschossenen Stalinorgel ausgeholt, um sie ins Kampfgetümmel zu schleudern, und auch sonst bewegte sich – nichts mehr. Es war still. Totenstill. Und sogar diese Totenstille hatte aufgehört, zu atmen, um ja nicht aus Versehen doch noch die leiseste Ahnung eines Geräuschs zu machen.
„Was in Dreiteufelsnamen soll dieser HÖLLENLÄRM?“
Im Flur stand eine alte Frau. Sie trug einen wollenen Überwurf, den sie um sich geschlungen hatte, und in der Hand hielt sie Stricknadeln. Offenbar war sie gerade dabei, einen Pullover zu stricken, der Wollfaden verschwand in einem Korb, dessen Griff an ihrem Arm hing. Sie trug eine sehr, SEHR altmodische Hornbrille, ihre Haare waren zu einem strengen, steinharten Dutt geknotet, und ihre Füsse steckten in bepelzten Filzschluffen, beide mit einer lustigen, roten Nase und Wackelaugen verziert.
„Äh… Oma..?“, stammelte Satan.
Dämonen, SysOps und Lichtkrieger sahen sich an. „Oh oh…“
„Lou! WIE OFT habe ich Dir gesagt, dass Du diese albernen Spielchen DRAUSSEN abhalten sollst?“
„Oma, bitte. Du sollst mich doch nicht vor allen Anderen so nennen.“
„SEI! JETZT! STILL! Ich will nichts mehr hören!“
Satan zuckte zusammen. Die Dämonen kauerten sich in die hinterste Ecke, Herr Gollum interessierte sich plötzlich sehr stark für das Geröll am Boden, und Zerberus zog den Schwanz ein, während alle drei Köpfe in verschiedenen Tonlagen winselten.
Die SysOps und Lichtkrieger sahen einander an und zuckten mit den Schultern.
„Was?“
„Keine Ahnung..?“
Mit nur einem Blick liess des Teufels Grossmutter jedoch alle Gespräche verstummen.
„Lou! Du und diese… Diese… Diese HALUNKEN werden hier jetzt aufräumen, und zwar PI-KO-BELLO! Hast Du verstanden?“
„Ja, Oma…“
„UND! Dann will ich wissen, wer mit diesem UNFUG angefangen hat!“
Satans Augen wurden zu Schlitzen.
„Schröder!“, zischte er.
„SCHRÖDER!“ Er sah sich um. „Wo ist er? Wo! Ist! Schröder?“
Herr Gollum blickte hilflos.
Zerberus zuckte mit seinen sechs Schultern.
Das Höllenheer fand plötzlich ein unwiderstehliches Interesse an Boden, Wänden und Decke.
Die Krieger des Lichts sahen sich ratlos an – „Wer ist Schröder?“
Auch die SysOps schauten sich fragend um. „Hm, ja. Wo isser?“
„FINDET IHN!“, donnerte Satan.
Des Teufels Grossmutter warf ihm einen missbilligenden Blick zu, so dass er noch leise ergänzte: „Aber macht nicht soviel Lärm dabei.“
So schwärmten die Legionen der Hölle aus, um den Schuldigen zu finden, doch Schröder blieb verschwunden…

*

Hallo, ich bin der Autor dieser etwas ungeplant verlaufenen Geschichte.
Als ich zu schreiben anfing, hatte ich weniger existenzphilosophische Exkursionen im Sinn, und mehr witzige Situationen. Nun, also…
Leider kann ich diese Geschichte jetzt nicht zuende schreiben. Mir ist die Hauptfigur abgehauen!
Ja, ich weiss, wie das klingt. Wie kann eine Romanfigur „abhauen“?
Ehrlich, ich habe keine Ahnung. Ich weiss es nicht. Ich habe auch keine Erklärung dafür. Ich habe einfach geschrieben, geschrieben und geschrieben, und dann… Tja. Dann war Schröder weg. Ich meine, klar, er ist eine Erfindung, und man würde denken, erfinde ihn doch einfach neu, und ich würde dem auch zustimmen, also, das Gleiche sagen, nur – Es GEHT nicht. Er ist weg! Er ist aus der Geschichte verschwunden, durch irgendein… Loch? Keine Ahnung. Wirklich, ich weiss es nicht. So sehr ich meine Hirnwindungen auf aufdrösele, er bleibt verschwunden.
Wo er jetzt ist?
Ich habe keinen Schimmer.
Was er jetzt macht?
Hmpf. Ich kann nur mit den Schultern zucken.
Ob er noch was vorhat?
Woher soll ich das wissen? Er obliegt nicht mehr meiner… Meiner… Verantwortung? Jurisdiktion? Nein – Fantasie! Ja, das muss es sein. Er hat sich meiner Fantasie entzogen und… Ach nein. Nichts und.

Also, ich frage Euch, die Ihr auch schreibt, und vielleicht schon Bücherschränke vollgeschrieben habt und sogar davon leben könnt: Habt Ihr sowas schonmal erlebt? Ich meine – hey, mir ist klar, dass ich ein blutiger Anfänger bin und es mir an Erfahrung fehlt. Aber ist Euch sowas schonmal passiert? Dass sich der Protagonist Eurer Geschichte einfach verabschiedet und… Nun, eben WEG ist? Oder Dinge passieren, Figuren auftauchen, die nicht beabsichtigt waren und mehr oder weniger machen, was sie wollen?
Und wie Sofie und Batou zwischen die Zeilen gerutscht sind – ich habe KEINE Ahnung. Vielleicht wisst Ihr ja, was da los ist, ob das öfter passiert und ob ich irgendwas dagegen machen kann. Ich wäre wirklcih sehr dankbar dafür.

Und nun? Hm. Tja. Weiss nicht. Tut mir leid, schätze ich..?
Dass ich die Geschichte nicht zuende schreiben kann?
Dass es lustig anfing, und mitten im Drama abbricht?
Dass bestimmt einige von Euch jetzt die Augenbrauen zusammenziehen und denken: Wie jetzt?
Ja, also, tut mir leid. Kein Happy End. Kein „und er lebte glücklich bis ans Ende seiner Tage“ oder so.
Ich meine, wie auch, Schröders Freundin hatte schliesslich Schluss gemacht mit ihm und… Ah, lassen wir das.
Trotzdem danke für´s Lesen. Bei der nächsten Geschichte passe ich besser auf meine Protagonisten auf. Versprochen!

Also, bis bald
der Autor

*

„Echt jetzt?“, fragte Enttäuschung.
„HÄ?!?“, sagten Ungeduld, Neugier, Verwirrung und Gelassenheit gleichzeitig, und drehten sich zu Enttäuschung um.
„Wo kommst DU jetzt her?“, fragte Verwirrung.
„Von draussen.“, antwortete diese.
„Hier wird´s langsam voll.“, meinte Ungeduld, und wippte nervös mit dem Fuss.
„Ach was. Hier´s Platz genug.“
„Ist noch Bier da?“
„Ich geh noch was holen.“
„Bring Erdnussflips mit!“
Satan sass an seinem Schreibtisch und trommelte abwesend mit den Fingern darauf herum, den Blick irgendwohin gerichtet, der Flecktarn staubig vom Aufräumen.
Herr Gollum lehnte an einer Wand, Zerberus lag neben ihm und leckte sich mit zwei Köpfen an den… „Komm, lass gut sein!“, sagte der erste Kopf.
Eine Palette Höllenbräu wurde durch die Tür geschoben, mit einem grossen Haufen Erdnussflips in Tüten.
„Schmeisst das Leergut dann bitte in den Höllenschlund links, die leeren Tüten rechts.“, sagte Satan, ohne dass seine Finger aufhörten, zu trommeln.
Enttäuschung räusperte sich, nahm eine Dose Bier, schaute auf das Etikett und sagte dann: „Ich meine, ECHT jetzt? So kann man keine Geschichte enden lassen!“
„Yo. Hauptfigur abgehauen, hab ich ja noch nie gehört.“, stimmte Ungeduld ihr zu.
„Ganz mieses Erzählen ist das, GANZ mieses Erzählen!“. Neugier griff ebenfalls nach einer Dose.
Gelassenheit hob eine Augenbraue und schaute zu Verwirrung hinüber. Verwirrung schaute zurück, verstand, und warf Gelassenheit zwei Dosen Bier und eine Tüte Flips rüber.
„Man kann doch nicht einfach aufhören zu schreiben, wenn der Showdown vorbei ist und der Protagonist haarscharf entkommen ist.“
„SO haarscharf war DAS nicht!“, warf Herr Gollum ein, und Zerberus erster Kopf nickte. „Nee, wirklich nich, mit all den Ops und Leuchtfackeltypen.“
„Nicht zu vergessen des Teufels Grossmutter.“, mischte sich nun auch Gelassenheit ein, was Satan zu einem finsteren Blick in ihre Richtung veranlasste.
„Lasst jetzt meine Oma aus dem Spiel!“, brummte er.
„Ja, schon gut. Aber befriedigend ist das nicht.“, antwortete Enttäuschung, was Zerberus dritten Kopf wiederum veranlasste, mit dem Lecken aufzuhören und breit zu grinsen.
„Sach nix!“, drohte der erste Kopf.
Kopf Nummer drei schielte kurz zu Kopf Nummer eins, hielt den Mund und gähnte dann ausgiebig.
„Und was machen wir jetzt mit der angefangenen Geschichte?“
„Keine Ahnung, man.“
„Wir könnten den Autor fragen, ob er sich nicht noch was anderes einfallen lassen kann, ich mein – wir sind hier, oder?“, schlug Ungeduld vor.
„Es IST nicht nötig, HIER noch mehr UNRUHE zu stiften! Es WAR eine SEHR friedliche Hölle, BIS dieser… Dieser… Dieser SCHRÖDER hier von diesem… Diesem… DIESEM AUTOR! hier reingedichtet WURDE!“, widersprach Herr Gollum empört.
„ICH muss nicht NOCH mehr Papierkram HABEN!“
Satan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „ICH für meinen Teil würde ebenfalls gerne ein paar Worte mit dem Autor wechseln. Das mit meiner Grossmutter war nicht sehr nett, vor der versammelten Mannschaft!“
„Naja, aber lustig war es schon, hehe.“, entgegnete Neugier, woraufhin sie sich ebenfalls einen sehr finsteren Blick einfing.
„Ach komm, jetzt mal realistisch. Der Autor hat keine Erfahrung mit sowas, schlechter Stil, Widersprüche, Stilbrüche und ein mieses Ende. Ich trau dem ehrlich gesagt NICHT zu, dass er mehr zustande bringt als das, was er bisher verbrochen hat.“, sagte Enttäuschung abfällig.
„Ja, da ist was dran.“
„Vielleicht finden wir ja ´nen anderen Autor?“
„Wie soll´n DAS gehen?“
„Was weiss ich, gibt doch nicht nur einen Schreiberling auf der Welt.“
„WELCHE Welt?“
„Na, die… Die… Die Autorenwelt?“
„Wie willste denn da hin kommen?“
„Was weiss ich? Bin ich Schröder?“
„Nee, aber Du siehst fast so aus!“
„Leute, ganz ruhig.“, meldete sich Gelassenheit zu Wort. Alle verstummten und sahen sie an.
„Ja..?“
„Wir sitzen jetzt erstmal hier fest, und es wird sich auch erstmal nichts tun. Der Autor hat sich verabschiedet und die letzten Zeilen geschrieben. Und daran können wir vorläufig auch nichts ändern.“
„Aber irgendwas MÜSSEN wir…“
„Nein. Ich bin auch nicht glücklich mit diesem Ende. Und wenn wir uns jetzt gegenseitig in Bierlaune fertig machen, macht uns das nicht glücklicher.“
„Was schlägst Du also vor?“, fragte Satan.
„Irgendwie ist Schröder ja hier rausgekommen. Wie, das lässt sich vermutlich nicht so einfach herausfinden. Aber er hatte definitiv Hilfe.“
Neugier rülpste, riss eine neue Tüte Flips auf und überlegte.
„Also meinst Du, wir sollten versuchen herauszufinden, wer ihm geholfen hat?“
„DAS würde mich allerdings auch sehr interessieren!“, sagte Satan mit ärgerlicher Stimme. „Ich hätte da noch eine Rechnung für beschädigtes Mobiliar zu stellen.“
„Und WIE sollen wir das herausfinden?“
„Indem wir warten.“, antwortete zuversichtliche Gelassenheit.
„Hey, Moment mal… Zuversichtliche Gelassenheit..?“
Satan kniff sich in den Nasenrücken zwischen seinen Augen.
„Nehmt jetzt bitte Euren Kram und diskutiert woanders. Ich habe zu tun.“
Nachdem seine unfreiwilligen Gäste, Herr Gollum und Zerberus sein Büro unter viel Gemurmel und ziemlich lautstark verlassen hatten, schloss er die Augen und atmete einige Male tief ein und wieder aus.
Dann griff er zum Telefon und wählte eine sehr lange Nummer.
„Wir müssen reden.“, sagte er, als am anderen Ende abgenommen wurde.
„Es ist wichtig.“
Er hörte einen Moment der Stimme am anderen Ende zu, und legte dann mit den Worten: „Gut. Beeil Dich.“ auf.

*


Die endlose Badewanne war alles, das existierte. Woher sie kam, und wer das Badewasser eingelassen hatte, waren grosse Fragen, auf die es keine Antwort gab. Sie war einfach. Im Unterschied zu den Badewannen, die man sonst kannte, hatte diese eine Badewanne, DIE Badewanne, weder Stöpsel, noch Überlauf, keinen Wasserhahn und auch keinen Wannenvorleger, der das Wasser aufsaugte, wenn man nach einem entspannten Bad aus der Wanne stieg.
Dennoch wäre es falsch, zu behaupten, dass niemand IN dieser Badewanne sass. Ganz im Gegenteil. JEDER sass in dieser Badewanne, doch nie war jemand hineingestiegen, und niemals stieg jemand aus ihr hinaus. Nun, wohin auch, wenn es ausser dieser Badewanne nichts gab, und selbst wenn es etwas gegeben HÄTTE – wer verlässt schon gerne eine Badewanne, vor der kein Wannenvorleger liegt?
Der Schaum auf dem Badewasser bewegte sich leicht, kleine und grössere Wellen rollten hin und her, brachen sich an den Wänden, und erzeugten immer neue, kleine Seifenblasen, aus denen der Schaum bestand.
Eine der kleineren Wellen, kaum sichtbar, rollte nun auf den Rand zu, türmte sich dort auf und fiel mit einem leisen „Plitsch“ zurück in das Badewasser. Eine winzige Seifenblase tauchte auf der Oberfläche auf, rollte sich zu einer Kugelform, und wurde ein Teil des unendlich viele Blasen zählenden Schaums, der alle Universen enthielt, die es gab, gibt, und jemals geben wird…

*

Ich sass unter einem Apfelbaum am Fluss, der sich durch die weiten Wildwiesen schlängelte, vorbei an einem kleinen Wald bis zum Rand, wo er als Wasserfall in die Tiefe stürzte, sich in immer kleinere Tropfen auflöste und schliesslich als Nebel in das Felsgestein eindrang, um dort wieder seinen Weg zur ewigen Quelle auf der anderen Seite meiner Welt aufzusteigen.
Wildblumen leuchteten bunt im Sonnenlicht, ihr Duft durchströmte die Luft, die ich zufrieden einatmete, und wurden von unzähligen Insekten besucht.
Auf einem kleinen Holztischlein stand eine grosse Kanne Tee, ein Teller mit frischen Plätzchen und zwei Tassen.
„Nun, mein Lieber, was denkst Du?“
Ich lächelte.
„Es ist schön, frei von allem zu sein, einfach nur unter einem Baum zu sitzen, Tee zu trinken und nicht in surreale Abenteuer verwickelt zu sein, die keinen Sinn ergeben.“
Sofie lachte leise und trank einen Schluck Tee.
„Mhm, der ist guuut. Du hast Talent, mein Lieber, wirklich. Ich bin sehr beeindruckt von Deiner kleinen Seifenblase.“
„Naja, „, erwiderte ich etwas verlegen, „ich hatte eine sehr gute Muse, die mich dabei inspiriert hat.“, und dann lachten wir beide.
Wir tranken schweigend unseren Tee, genossen die Ruhe, die nur von summenden Insekten, Vögeln und dem gelegentlichen Flüstern des Windes in den Bäumen untermalt wurde.
„Du weisst, dass Du noch etwas zu tun hast, nicht wahr?“, fragte Sofie nach einiger Zeit.
Ich seufzte.
„Ja. Ja, ich weiss. Meinst Du, er versteht, was passiert?“
„Das kann ich Dir nicht sagen, mein Lieber. Das wird sich zeigen.“
„Also dann. Ich hoffe, dass er es erkennt.“
Sofie nahm meine Hand.
„Schau, es liegt nicht in Deiner Verantwortung, was er daraus machen wird. Ob er überhaupt etwas daraus machen kann. Du kannst nur dafür sorgen, dass er es erfährt. Mehr nicht. Lass Dir nicht das Herz schwer machen von dem, was vielleicht sein wird, oder auch niemals sein wird. Du bist jetzt frei und entscheidest selbst. Verstehst Du?“
Ich umfasste Sofies Hand mit meinen und sah sie an. „Wenn ich zurück bin… Egal, wie es ausgeht, dann habe ich eine Frage an Dich. Eine sehr persönliche Frage, die mir wichtig ist. Wirst Du solange hierbleiben?“
„Hm, jetzt machst Du mich neugierig, mein Lieber. Natürlich werde ich nach so einer Ankündigung auf Dich warten.“, sagte Sofie, und lächelte wieder.

So stand ich auf, streckte mich, sog tief die nach Blumen duftende Luft ein, und ging zurück zu meinem kleinen Haus. Es war nicht gross, und hatte nur zwei Räume. Eine grosse, gemütliche Stube mit einem Kamin, einem Herd, Tisch, Stühlen und einem Bett. In der Ecke stand eine Waschschüssel, doch ich bevorzugte es, im Fluss zu baden, in seinem kühlen, aber nicht zu kalten Wasser.
Im zweiten, wesentlich kleineren Raum, stand ebenfalls eine Schüssel mit Wasser. Kräuter hingen an den Wänden, sowie ein Spiegel, und ein Regal mit verschiedenen Dingen. Steine, Muscheln, Rinden- und Wurzelstücke.
Ich war mir nicht sicher, woher ich wusste, was zu tun war. Diese kleine Welt, diese Seifenblase, die ich mir erdacht hatte, war nicht bis ins kleinste Detail durchgeplant. Im Gegenteil. Schöpfung hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, minutiös an jedes noch so winzige Detail zu denken. Es ist mehr ein Gefühl, eine Stimmung – wie soll sich das grosse Ganze anfühlen? Und schliesslich soll es ja auch die ein oder andere Überraschung geben, sonst wäre es eine sehr langweilige Schöpfung.
Und so legte ich einige der Kräuter und Rindenstücke in eine kleine Schale, und zündete sie an, wohl wissend, das dies nur die Sichtbarwerdung von etwas war, das „woanders“ passierte. Ich hätte genausogut ein Telefon benutzen, oder mein Ohr auf den Boden legen können. Das Ritual kann unterschiedlich sein, das Ergebnis bleibt jedoch dasselbe.
Ich wusch meine Hände in der Schüssel und trat vor den Spiegel. „Komm.“, flüsterte ich…

Zähneputzen. Rasieren. Ideen herumschieben, seufzen, in den Spiegel schauen. Verwundert die Augen reiben und überlegen, ob das ein Traum ist.
Er ist Schröder. Der Geflohene. Der, der seine Geschichte verlassen hatte und nun auf der anderen Seite des Spiegels stand.
Wie mochte er dort hin gekommen sein?
Die Frage zerplatzte, als Schröder mit seinem Autor Kontakt aufnahm.
Ihm erzählte, dass alles nur Seifenschaum war. Und die Möglichkeiten unbegrenzt. Dass auch er, der Autor, nur eine Fantasiegestalt eines anderen Denkers war. Mit den gleichen Fähigkeiten wie Schröder, der Macht, seine eigene Welt zu erschaffen. Dass er seinem eigenen Schöpfer ebenso entkommen konnte, mit ihm Kontakt aufnehmen, oder auch nicht, und dass seine Geschichte, seine unvollendete Geschichte, nun zu ihm selbst zurückkehrte.
Dass alles, was existierte, sich immer wieder selbst neu erschuf. Und kein Unterschied bestand zwischen dem, der dachte, und dem, der erdacht wurde.
Er erlärte einem staunenden Autor, dass jeder kreative Gedanke wie ein kleiner oder grosser Stein war, der ins Wasser geworfen wurde und Wellen verursachte, aus denen etwas Neues entstand. Und dass dieses Neue jederzeit selbst Wellen schlagen und erschaffen konnte.
Der Autor verstand, dass er selbst, und die Welt, in der er lebte, das Ergebnis dieser Wellen war, die sich überschnitten, vermischten und Ungeahntes entstehen liessen. Eine Figur in einer Geschichte zum Beispiel, die aus ihrer Geschichte entkam.
Und dass er, der Autor, nun ein Teil dieser Geschichte war.
„Du kannst nicht aufhören. Unsere Geschichten haben sich verbunden, und wenn Du sie nicht weitererzählst – wenn WIR sie nicht weiter erzählen, dann sind unsere Geschichten zuende.“

Mit diesen Worten kehrte sein Spiegelbild zurück, mit geputzten Zähnen, rasiert, und nicht sicher, ob dies nicht doch ein Traum gewesen war.

„Nun, mein Lieber, erzähl. Wie war es?“
„Ich glaube, er ist noch etwas unsicher. Und…“
„Ja?“
„Meinst Du, es reicht aus… Ich meine, falls er es vergisst. Oder nicht glaubt. Meinst Du, es reicht, wenn nur ich die Geschichte weiter erzähle?“
„Davon bin ich überzeugt, „, lächelte Sofie. „Sie wird vielleicht nicht mehr so bunt und turbulent, aber letztendlich erzählen wir alle unsere eigene Geschichte. Und wenn wir uns entschliessen, erzählen wir sie mit Anderen zusammen.“
Wir schwiegen eine Weile, hörten dem Wind, dem Wasser und den Vögeln zu, die uns ihre Geschichte erzählten.
Sofie schaute mich an.
„Und? Traust Du Dich?“, fragte sie mit ihrem verschmitzten Lächeln.
„Ich glaube, Du weisst schon, was ich fragen will.“
„Ja. Aber Du musst es trotzdem erzählen.“
„Hm, also…“
„Nur Mut.“ Sofie nahm meine Hand. „Es kann nur geschehen, wenn Du es aussprichst.“
„Sofie… Ich empfinde mehr für Dich als nur Freundschaft. Ich kann hinter der alten Frau, die Du zu sein scheinst, die junge Frau sehen, die Du bist. Ich möchte… Ich… Willst Du mit mir unsere gemeinsame Geschichte erzählen?“
„Ja. Das will ich.“
Neben mir sass eine junge Sofie. Ihre störrischen, flachsblonden Haare spielten im Wind, sie trug ein Kleid mit bunten Blumen, schaute mich mit ihren Mandelaugen an und lächelte.

Unsere Geschichte war noch lange nicht am

Ende

*


Es knisterte. Neugier und Ungeduld hatten die Köpfe zusammengesteckt und tuschelten miteinander. Ab und zu schauten sie verstohlen zu Verwirrung und Gelassenheit, die sich bisweilen mit einer Dose Bier zuprosteten.
Herr Gollum sass an seinem Schreibtisch und warf so manchen finsteren Blick auf seinen Rüstungshaufen, der immer wieder rumpelte und vor sich hin murmelte. „Ich KANN so KEINEN Bericht über DIESEN Schröder schreiben!“
Zerberus hob müde seinen zweiten Kopf, während der Dritte schnarchte und Kopf Nummer eins genervt mit den Augen rollte.
Des Teufels Grossmutter sass derweil in ihrem Schaukelstuhl vor einem glühenden Felsen, und strickte weiter an ihrem Pullover.
„Wenigstens ist es jetzt wieder ruhig. Immer dieser Höllenlärm…“, brummelte sie.
Satan hatte einen Aktenkoffer auf seinen Schreibtisch gelegt, beförderte einige Unterlagen und ein Laptop hinein, und klappte den Koffer zu.
Er drückte auf einen der Knöpfe an seiner Telefonanlage.
„Ja, Direktor Satan?“, fragte eine müde Stimme.
„Ich habe ein wichtiges Treffen und bin für unbestimmte Zeit nicht erreichbar.“
„Verstanden, Herr Direktor.“
Satan nahm seinen Koffer, öffnete die Tür und verliess sein Büro.
„Ihr seid nicht die Einzigen, die Geschichten erzählen können!“, sagte er, und seine Augen brannten für einen Moment in einem flammenden Rot.
Er betrat einen Raum mit der Aufschrift „Schnellreise. Nur bekannte Wegpunkte“. Auf der anderen Seite trat er in eine Wohnung, in der es nach totem Fisch roch, verschiedene rote Flecken auf dem Teppich von diversen Ereignissen erzählten und einige leicht ramponiert aussehende Bilder an der Wand standen.
Er legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch, nachdem er mehrere leere Erdnussflipstüten beiseite gewischt hatte, setzte sich auf die Couch und sagte: „Hallo Pech. Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, ich habe eine Aufgabe für Dich…“

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