Viele fragen mich, wie ich so schnell heilen kann, nach 22 Jahren.
Meine Antwort an Euch, die Ihr mich begleitet: Ich heile nicht so schnell.
Was ich getan habe ist, diese tiefe Wunde zu desinfizieren. Ich habe ihr das Gift ausgesaugt, das zerstört, zersetzt und vernichtet. Dieses Gift, das Dich fragt: Warum hast Du? Hättest Du nicht? Wie konntest Du nur? Was warst Du für ein Arschloch?
Dieses Gift der Selbstvorwürfe. Diese Selbstverstümmelung, das Schneiden ins eigene Fleisch, der Schlag ins eigene Gesicht, und immer wieder dieses Berühren eine frischen, tiefen Wunde.
Damit habe ich mich in den ersten Wochen und Monaten konfrontiert. Um dieses Gift loszuwerden. Diese Selbstzerstörung. Diese Frage: Was habe ich nur getan?!? Das ist nicht produktiv. Das ist Selbstzerstörung.
Und auch, wenn es sich immer wieder anhört wie Angeberei: Ich habe rund 28 Jahre Erfahrung damit, mich selbst zu reflektieren. Ich weiss, wie sowas geht. Ich weiss, dass dieser Schmerz, den man sich selbst zufügt, als erstes angegangen werden muss.
Und ja, sowas tut weh. Sich vor den Spiegel zu stellen und zu sehen, was man selber getan hat. Wo man Fehler gemacht hat. Wo es hätte besser laufen können. Wo man wider besseren Wissens verletzt, gedemütigt, beleidigt und missbraucht hat. Aber genau diese Momente sind es, die verarbeitet werden wollen, die diese schlaflosen Nächte und unruhigen Tage verursachen, wenn sie nicht sofort angeschaut werden.
Was habe ich also getan? Die einfachste Antwort ist: Ich habe geschaut, was für ein Arschloch ich war. Dann habe ich geschaut, was für ein Arschloch Johanna sein konnte. Und mir bewusst gemacht, dass wir alle nur Menschen sind und ein Ventil brauchen, an dem wir unsere eigene Unzulänglichkeit, dieses angestaute Unverständnis ablassen können. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Dafür BRAUCHT es keine Entschuldigung!
Die eigentliche Heilung fängt gerade erst an. 22 Jahre heilen nicht einfach so. Aber das Gift muss weg. Es muss angeschaut und neutralisiert werden. Erst dann kann Heilung beginnen. Und diese Heilung, dieser Anfang, diese BEREIT sein, sich zu heilen, sieht bestimmt für so manch Aussenstehenden so aus, als wäre die Heilung schon in vollem Gange.
Ich sag Euch, das ist nicht so. Dieser oberflächliche Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, dessen ich jetzt gegenüber stehe. Aber ohne diesen Mut, Verletzungen zu berühren, sie anzusehen, zu behandeln und zu untersuchen, und zu sehen, wer man selber ist, ohne diesen Mut… Ohne diesen Mut kann keine Heilung stattfinden. Denn die Heilung eines solchen Erlebnisses ist… Nicht zu beschreiben.
Es tut weh. Es juckt. Und es tut weh. Weil da einfach etwas nicht mehr da ist, das da sein sollte, und einfach nur fehlt, und weil es nicht mehr ist, wie es war, und weil Du nicht warst, wie alle anderen…
… Weil Heilung auch weh tun darf.